Die Nachricht vom 11. November, dass die russische Generalstaatsanwaltschaft die Auflösung von Memorial International beantragt, ist ein Schock sowohl für die Zivilgesellschaft in Russland als auch für alle, die die jüngste Entwicklung in Russland aus dem Ausland verfolgen und umso mehr für die Memorial International angegliederten ausländischen Mitgliedsverbände.

Seit der Verabschiedung des „Agentengesetzes“ im Jahre 2012 und weiterer ergänzender Bestimmungen dazu leben fast alle NGOs in Russland unter dem Damoklesschwert einer erzwungenen Selbstauflösung oder eines Verbots. Nicht umsonst hat Memorial von Anfang an kategorisch darauf bestanden, dass dieses Gesetz nicht redigiert und korrigiert werden sollte, sondern aufgehoben werden muss.

Erklärung von Memorial International

Das Oberste Gericht der Russischen Föderation hat heute Memorial International darüber informiert, dass die Generalstaatsanwaltschaft die Auflösung der Organisation fordert. Als Begründung wurde der systematische Verstoß gegen die "Agentengesetzgebung" angeführt, konkret fehlende Markierungen der Organisation als "ausländischer Agent". Wegen des Fehlens dieser obligatorischen Kennzeichnung v. a. in sozialen Netzen hatte Memorial in den letzten Jahren bereits immens hohe Geldstrafen entrichtet.

Nachfolgend die Erklärung von Memorial International aus diesem Anlass

Am 11. November um 16.30 wurden wir vom Obersten Gericht davon in Kenntnis gesetzt, dass die Generalstaatsanwaltschaft die Auflösung von Memorial International beantragt, da Memorial systematisch gegen das Gesetz übe „ausländische Agenten verstoßen habe (es geht um die fehlende Kennzeichnung von Verlautbarungen der Organisation).

Am 29. Oktober wird Jurij Dmitriev erneut eine Auszeichnung verliehen. Das Norwegische Helsinki-Komitee erkannte ihm am 21. Mai dieses Jahres (dem hundertsten Geburtstag Andrej Sacharovs) den Sacharov-Freiheits-Preis zu für seine Recherchen nach den Opfern des stalinistischen Terrors in Karelien, die er namentlich identifiziert und denen er ihre Würde zurückgegeben habe.

Endloses Putzen von Böden und Androhung von Vergewaltigung

Wie Mithäftlinge Druck ausüben

„Für ein separates Bett muss man fünf- bis zehntausend Rubel jeden Monat zahlen – das ist vergleichbar mit der Unterbringung in einem Hostel in der Innenstadt von St. Petersburg. Weigert man sich, wird man in den Magen oder auf den Nacken geschlagen. Auf das Gesäß oder die Fersen schlägt man seltener, das hinterlässt Spuren.“ So beschrieb 2018 Julij Bojarschinov, Angeklagter im Verfahren 'Set' [Netzwerk], seine Ankunft in der Petersburger Untersuchungshaftanstalt 6 'Gorelovo'. In seinem Bericht ist die Rede von Druck und Gewalt nicht von Seiten der Mitarbeiter der Untersuchungsanstalt: Das alles erledigen andere Häftlinge, die mit der Verwaltung zusammenarbeitenden 'Aktivisten'. Für diese gab es in den Zellen von 'Gorelovo' immer freie Schlafplätze, eine spezielle Person bereitete das Essen für sie zu, nur für sie gab es heißes Wasser in der Dusche, zwei von drei Toiletten waren für die 'Aktivisten' reserviert.

Am 15. Februar wurde das Büro von Memorial International von Polizeibeamten aufgesucht, die eine anstehende Überprüfung auf Grund einer Anzeige ankündigten. Besagte Anzeige war am Tag zuvor, dem 14. Oktober, eingegangen, einige Stunden vor der Attacke auf die Filmvorführung von „Gareth Jones“ (von Agnieszka Holland), bei der Memorial die Polizei gerufen hatte – mit dem Ergebnis, dass diese Zuschauer und Mitarbeiter stundenlang festhielt.

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