Am 6. Februar fand in einem Moskauer Bezirksgericht eines der zahlreichen Verfahren gegen Jan Raczynskij , dem Vorsitzenden von Memorial International, statt wegen des Vorwurfs, die Organisation habe sich nicht, wie vorgeschrieben, als „ausländischer Agent“ gekennzeichnet.

Der heute behandelte Fall betraf einen Blog bei „Echo Moskvy“, der allerdings nicht von Memorial selbst betrieben wird, aber über die Tätigkeit von Memorial informiert. Die Organisation hat keinen Zugriff auf die Seite und somit auch nicht die Möglichkeit, irgendwelche Anmerkungen und Kennzeichnungen dort anzubringen.

Diese Tatsache hatte der Redakteur der Seite, Vitalij Rovinskij, dem Gericht zuvor bereits schriftlich mitgeteilt, und hat sie bei der Gerichtsverhandlung, in der er als Zeuge vernommen wurde, bekräftigt.

In Anbetracht dieser Tatsache hat das Bezirksgericht das Verfahren gegen Raczynski eingestellt. In derselben Sache steht noch die Verhandlung gegen Memorial als Organisation an – am 25. Februar.

25 von 28 anstehenden Verfahren wurden bisher verhandelt, in 24 Fällen wurde Memorial zu Strafzahlungen verurteilt, die sich inzwischen auf 4.700.000 Millionen Rubel (knapp 68.000 Euro) belaufen.

 

6. Februar 2020

Ordnungsverfahren eingestellt, Strafverfahren läuft weiter

 

Nachdem im Sommer mehrere Verfahren gegen Memorial Perm eingeleitet worden waren, scheinen sich jetzt die Wogen ein wenig zu glätten. Es handelte sich um sieben Ordnungsverfahren und zwei Strafverfahren, die im Zusammenhang mit einer Exkursion nach Galjaschor (Kreis Kudymkar) standen.

An dieser Exkursion hatten auch fünf Freiwillige aus Litauen teilgenommen, deren Familien seinerzeit in diese Region deportiert worden waren. Gegen diese Litauer wie auch gegen Memorial Perm und den Leiter der Organisation Robert Latypov waren Strafzahlungen wegen illegalen Abholzens verhängt worden (in Höhe von je 20.000 Rubeln gegen die Litauer, 200.000 Rubel gegen Memorial Perm und 50.000 gegen Latpov).

Das Waldstück Sandarmoch ist im nordwestlichen Russland die größte Grabstätte der Opfer des „Großen Terrors“ der Jahre 1937 – 1938 und eine der wenigen Stätten, bei denen die Namen der Begrabenen genau festgestellt wurden. Unter denjenigen, die diese Stelle entdeckten und eine schon langjährige Erinnerungsarbeit in dem Waldstück durchführen, sind Jurij Dmitriev, Maksim Ljalin, Anatolij Razumov und Irina Flige. 2019 wurde das Projekt „Sandarmoch“ für den Jegor Gajdar Preis in der Kategorie „Für Tätigkeiten, die die Zivilgesellschaft fördern“ nominiert und ausgezeichnet. Im Interview anlässlich der Verleihung erzählen sie, was sie bei ihrer ersten Reise nach Sandarmoch empfanden, sprechen über verfolgte Familienangehörige und Nahestehende sowie über den Schuldkomplex, den alle geerbt haben. Wir bringen das Interview leicht gekürzt in Übersetzung.

Am 16. Januar wurden die ersten Berufungsverfahren von Memorial International gegen die zahlreichen im letzten Jahr verhängten Geldstrafen verhandelt. Alle drei Klagen von Memorial wurden vom Moskauer Stadtgericht verworfen.

Es handelte sich um die Verurteilung zu Zahlungen von je 300.000 Rubeln wegen der fehlenden Kennzeichnung als angeblicher „ausländischer Agent“ bei dem Youtube-Kanal sowie dem Twitter-Account der Organisation sowie von 100.000 Rubeln, die Jan Raczynski als Vorsitzender von Memorial International wegen des gleichen „Delikts“ bei Facebook zu entrichten hat.

Insgesamt waren gegen Memorial International und das Menschenrechtszentrum Memorial 28 Verfahren eingeleitet worden, sechs davon sind noch offen, in 22 sind Verurteilungen erfolgt. Insgesamt sind bisher 4.5 Millionen Rubel zu zahlen (knapp 66.000 Euro).

18. Januar 2020

 

Am 26. Dezember 2019 hat die Aufsichtsbehörde Roskomnadzor des Föderationskreises Ural auf Antrag des FSB von Sverdlovsk erneute Verfahren diesmal gegen Memorial Jekaterinburg wegen fehlender Kenntlichmachung des sogenannten „Agentenstatus“ eingeleitet. Insgesamt wurden 6 (!) Verfahren eröffnet, betroffen sind die Gesellschaft Memorial Jekaterinburg, das dortige Forschungs- und Informationszentrum Memorial sowie die Leiterin der dortigen Organisation Anna Pastuchova.

Grundlage der Verfahren sind fehlende Markierungen mit dem Agentenlabel auf Bannern und am Informationsstand der jährlich am 30. Oktober stattfindenden Aktion „Rückgabe der Namen“ sowie auf der facebook-Seite des „Uraler Memorial“.

12. Januar 2020

 

Justizministerium stellt Antrag auf Liquidierung einer weiteren Menschenrechtsorganisation

Mit der Organisation „Mensch und Gesetz“ (tschelovek i zakon) in Joschkar Ola (Marij El) soll nach „Za pravo tscheloveka“ und dem Zentrum zur Unterstützung kleiner Völker im Norden eine weitere NGO innerhalb kürzester Zeit aufgelöst werden.

Dies hat das regionale Justizministerium in Marij El beantragt.

Das Projekt "Die letzte Adresse" wird am 17. Dezember um 19.15 in einem Feature des Deutschlandfunks (44 Min.) vorgestellt. Informationen dazu finden Sie hier.

Am 12. Dezember veröffentlichte Radio Corax einen Beitrag zum Thema "ausländischer Agenten" in Russland und die damit verbundene Diskriminierung; befragt dazu wurde auch Anke Giesen (Vorstandsmitglied von Memorial Deutschland). Nachzuhören ist die Sendung (ca. 16 Min.) hier.

16. Dezember 2019

Die Koalition russischer Menschenrechtsorganisationen, die 2016 zur Unterstützung von Menschenrechtlern gebildet wurde, zieht nach sieben Jahren Geltung des „Agentengesetzes“ nachstehende Bilanz, nicht zuletzt auch im Hinblick auf das kürzlich verabschiedete Gesetz über eine weitere Kategorie "ausländischer Agenten".

 

Bevor der russische Präsident das Gesetz unterzeichnete, das es ermöglicht, auch physische Personen zu ausländischen Agenten zu erklären, haben Experten dazu Stellung genommen, für wen es gelten und wie es sich auswirken wird. Die Gesetzgeber, die die Änderungsentwürfe für die Gesetze „Über Massenmedien“ und „Über Information, Informationstechnologien und den Schutz von Information“ angenommen haben, waren sich selbst nicht im Klaren darüber, wieviel Personen davon betroffen wären. Sie gingen davon aus, es seien einige Dutzend.

Am 5. und 6. Dezember hat die russische Aufsichtsbehörde Roskomnadzor (für Verbindung, Informationstechnologie und Massenkommunikation) weitere Ordnungs-Strafverfahren gegen Memorial International und das Menschenrechtszentrum Memorial sowie deren Vorsitzende eingeleitet. Es geht immer um den gleichen Vorgang – um den Vorwurf, auf Seiten und Unterseiten im Internet und sämtlichen sozialen Netzwerken den so genannten „Agenten-Status“ der Organisation nicht ausdrücklich vermerkt zu haben. Bisher waren bereits 20 Verfahren dieser Art eingeleitet und bereits elf Urteile gefällt worden (die noch angefochten werden). Sie gingen auf Anzeigen des FSB in Inguschetien zurück. Die bisher verhängten Geldstrafen belaufen sich auf 2.3 Millionen Rubel (umgerechnet etwa 32.500 Euro), etwa die gleiche Summe war für die noch nicht verhandelten Verfahren („Protokolle“) zu erwarten.

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