Kurz vor Beginn einer Pressekonferenz, die etliche NGOs am 3.12. online durchführten (darunter auch das Menschenrechtszentrum Memorial sowie Memorial International), bekam das Menschenrechtszentrum „Besuch“ von Vertretern der Staatsanwaltschaft. Es wurde über eine (ungeplante) Überprüfung der Organisation in Kenntnis gesetzt, die vom 2. bis 29. Dezember erfolgen wird. Überprüft werden soll „die Einhaltung der gesetzlichen Forderungen, die die Tätigkeit nichtkommerzieller Organisationen regeln“.
Mehr als 20 russische NGOs haben sich in Zusammenhang mit der Einreichung von Gesetzesvorhaben in der Staatsduma der Russischen Föderation mit einem Appell an die Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, Tatjana Moskalkova, sowie an die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, gewandt.
Tatjana Gluschkova erläutert die wesentlichen Bestimmungen des geplanten Gesetzes
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Was ist passiert?
Die Regierung hat einen Gesetzentwurf in die Duma eingebracht, der den Behörden noch mehr Möglichkeiten gibt, NGOs zu liquidieren, die als „ausländische Agenten“ registriert sind, oder ihnen zumindest ihre Arbeit zu erschweren. Wenn der Entwurf durchkommt, werden die als „ausländische Agenten“ registrierten NGOs verpflichtet, das Justizministerium über alle geplanten Programme und Veranstaltungen zu informieren. Und das Justizministerium erhält seinerseits das Recht, die Umsetzung dieser Programme vollständig oder in Teilen zu untersagen. Wenn die NGO ein derartiges Verbot missachtet, kann das Justizministerium bei Gericht die Auflösung der NGO beantragen.
Am 26. November hat ein Moskauer Bezirksgericht Memorial International erneut zu einer Strafzahlung in Höhe von 500.000 Rubeln verurteilt. Der Anlass war der übliche – die angeblich fehlende Markierung der Organisation als „ausländischer Agent“, diesmal auf Publikationen, die am Stand der internationalen Buchmesse in Moskau im September präsentiert wurden.
Interview von Andrej Kamakin mit Jan Raczynski
Am 30. Oktober beging Russland zum 29. Mal den Tag der Erinnerung an die Opfer politischer Verfolgungen. Das Wort Erinnerung impliziert, dass es um Ereignisse geht, die für immer einer fernen Vergangenheit angehören, die ein Land nicht vergessen will. Dabei gilt leider weder das eine noch das andere. Über die ungelernten Geschichtslektionen des Landes führte der Andrej Kamakin/Moskovskij Komsomolez ein Interview mit dem Vorsitzenden von Memorial International, Jan Raczynski. Wir bringen das Interview leicht gekürzt in Übersetzung.