Dmitrij Ptschelinzev, einer der Beschuldigten im Verfahren gegen die angebliche terroristische Vereinigung „Set“ (Netz), hat erneut über Folterungen und massive Drohungen berichtet. Wie er seinem Anwalt Oleg Sajzew mitteilt, wollte man ihn damit zwingen, seine Aussagen über Foltern zu widerrufen, die er etwa zwei Monate nach seiner Verhaftung gemacht hatte, und sein durch Folter erpresstes Geständnis zu bekräftigen. Darüber hinaus drohte man ihm, seine Frau zu vergewaltigen.

Tatsächlich hatte Ptschelinzew nur wenige Tage nach seinem ersten Bericht die Behauptung, gefoltert worden zu sein, zurückgezogen. Auch gegenüber Staatsanwälten und Vertretern der Menschenrechtbeauftragten wiederholte er, wie er kürzilich erklärte, den einstudierten Satz, er habe „mit der Behauptung über die Foltern gelogen, um sich der strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen“.

Am 15. Mai jedoch widerrief Ptschelinzew sämtliche Schuldbekenntnisse, beschrieb die erneuten Folterungen im Detail, und ergänzte diese Aussage mit der Erklärung: „Wenn ich mich erneut von meinen Aussagen über die Folterungen, denen ich ausgesetzt wurde, lossage, und wiederum ein absurdes Schuldbekenntnis abgebe und andere belaste, oder wenn mir in der Untersuchungshaft oder beim FSB etwas passiert – dann bedeutet dass, dass sie mich wieder gefoltert haben.

Das Moskauer Theater teatr.doc hatte geplant, unter dem Titel „Pytki 2018“ (Folter 2018) in Petersburg eine Lesung aus Unterlagen und Aufzeichnungen von Angeklagten dieses Prozesses durchzuführen. Nachdem der FSB den Inhaber der Räumlichkeiten, in denen die Veranstaltung stattfinden sollte unter Druck gesetzt und mit der Schließung seiner Institution gedroht hatte, wurde die Veranstaltung kurzfristig abgesagt.

 

25. Mai 2018

 

 

Solidarität mit Oleg Sentsov

 

Über 130 Vertreter aus Wissenschaft und Kultur haben eine gemeinsame Erklärung der Assoziation „Freies Wort“, des St. Petersburger PEN-Clubs und der „Freien historischen Gesellschaft“ unterschrieben, in der die Freilassung des ukrainischen Regisseurs Oleg Sentsov gefordert wird. Zu den Erstunterzeichnern gehören u. a. die Nobelpreisträgerin für Literatur Svetlana Aleksievitsch, die Schriftsteller Ljudmila Ulizkaja und Vladimir Vojnovitsch, der Dichter Lev Oborin, die Übersetzerin Ljubov Summ, die Journalisten Soja Svetova und Sergej Parchomenko, der Linguist Aleksej Gippius, die Literaturwissenschaftler Marietta Tschudakova und Alexander Lavrov. Der Appell richtet sich an das Petersburger Wirtschaftsforum.

Nachfolgend der Text des Aufrufs:

"Der zu zwanzig Jahren Haft verurteilte ukrainische Regisseur Oleg Sentsov, den die Menschenrehtsbewegung Memorial als politischen Gefangenen anerkannt hat, befindet sich derzeit in einem unbefristeten Hungerstreik. Er fordert die Freilassung aller ukrainischen politischen Gefangenen in Russland. Menschen, die Sentsov kennen, sind überzeugt, dass er das bis zum Ende durchhalten wird.

Wir fordern, Sentsov in seine Heimat - die Ukraine - zu entlassen. Oleg Sentsovs Tod wird Russland zur Schande gereichen und für immer ein Schandfleck für jene sein, die ihn hätten retten können, es aber nicht getan haben.

Wir appellieren an die Teilnehmer des Petersburger Wirtschaftsforums, unseren Aufruf zu unterstützen."

 

Eine Petition zur Unterstützung von Oleg Sentsov kann hier unterschrieben werden (russisch und englisch) - https://www.change.org/p/%D0%BF%D0%BE%D0%BC%D0%BE%D0%B3%D0%B8%D1%82%D0%B5-%D1%81%D0%BF%D0%B0%D1%81%D1%82%D0%B8-%D0%BE%D0%BB%D0%B5%D0%B3%D0%B0-%D1%81%D0%B5%D0%BD%D1%86%D0%BE%D0%B2%D0%B0-%D0%B8-%D0%B4%D1%80%D1%83%D0%B3%D0%B8%D1%85-%D0%BF%D0%BE%D0%BB%D0%B8%D1%82%D0%B7%D0%B0%D0%BA%D0%BB%D1%8E%D1%87%D0%B5%D0%BD%D0%BD%D1%8B%D1%85?recruiter=15509584&utm_source=share_petition&utm_medium

 

21. Mai 2018

 

Der ukrainische Filmregisseur Oleg Sentsov, der seit vier Jahren in Russland inhaftiert ist, hat einen unbefristeten Hungerstreik erklärt.

Sentsov wurde am 10. Mai 2014 auf der Krim verhaftet, kurz darauf nach Russland deportiert und im August 2015 zu 20 Jahren Lagerhaft verurteilt. Sein Mitangeklagter Alexander Koltschenko erhielt 10 Jahre Haft. Einer der Belastungszeugen, der schon vorher verurteilte (und inzwischen ausgetauschte) Gennadij Afanasjev, hatte vor Gericht seine Aussagen widerrufen und erklärt, sie seien durch Folter erpresst worden.

Sentsov verbüßt seine Haft in der Strafkolonie "Belyj Medved" (Eisbär) in der Stadt Labytnangi im autonomen Kreis der Jamal-Nenzen im Norden Russlands.

Mit seinem Hungerstreik will Sentsov seine Forderung nach der Freilassung aller ukrainischen politischen Häftlinge in Russland unterstreichen:

„Ich, Oleg Sentsov, Bürger der Ukraine, widerrechtlich von einem russischen Gericht verurteilt und in der Strafkolonie Labytnangi inhaftiert, beginne am 14. Mai 2018 einen unbefristeten Hungerstreik. Ich werde ihn nur unter einer einzigen Bedingung beenden – wenn alle ukrainischen politischen Gefangenen, die sich auf russischem Territorium befinden, freigelassen werden.
Gemeinsam bis zum Ende. Ruhm der Ukraine!"

 

16. Mai 2018

 

 

Erklärung des Menschenrechtszentrums Memorial

 

Der ukrainische Staatsbürger Oleg Sentsov, der zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe in der Kolonie in Labytnangi verurteilt wurde, hat am 14. Mai einen unbefristeten Hungerstreik erklärt. Er werde ihn nur unter einer einzigen Bedingung beenden – „wenn alle ukrainischen politischen Gefangenen, die sich auf dem Territorium der Russischen Föderation befinden, freigelassen werden“.

Wir unterstützen Sentsovs Forderung.

In der Liste politischer Gefangener in Russland, die unsere Organisation führt und die alles andere als vollständig ist, sind 24 ukrainische Staatsbürger verzeichnet, unter ihnen auch Sentsov. Sie alle müssen umgehend freigelassen werden, ebenso wie alle übrigen politischen Häftlinge.

Die russische Regierung hat dazu alle Möglichkeiten. Mit einem Akt der Humanität könnte die Führung des Landes ohne Zweifel die weltweite Reputation Russlands fördern.

Freiheit für die politischen Gefangenen!

 

18. Mai 2018

 

 

 

Zahlreiche Festnahmen, Haft- und Geldstrafen anlässlich der Proteste vor der Inauguration Vladimir Putins

 

Am 5. Mai kam es anlässlich des Antritts der 4. Amtszeit Vladimir Putins in vielen Städten Russlands zu Protesten. Im Rahmen dieser Aktionen, zu denen Alexej Navalnyj aufgerufen hatte, wurden etwa 1600 Personen verhaftet. Wir veröffentlichen die Zahlen der Festgenommenen in den Städten. (Stand 6. Mai)

Moskau: 719 Festgenommene, etwa 153 Personen verbrachten die Nacht auf der Polizeiwache.

St. Petersburg: 217 Festgenommene, etwa 95 Personen verbrachten die Nacht auf der Polizeiwache.

Astrachan: 24 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Barnaul: 10 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Belgorod: 20 Festgenommene, bis auf zwei Personen wurden alle wieder freigelassen. Ein Festgenommener wurde zu 10 Tagen Haft verurteilt, über den zweiten gibt es keine Informationen.

Blagoveschtschensk: 10 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Vladimir: 18 Festgenommene, 11 verbrachten die Nacht auf der Polizeistation.

Voronesch: 48 Festgenommene, viele verbrachten die Nacht auf der Polizeiwache, bekannt sind mindestens 8 Verhaftungen für 5 Tage.

Jekaterinburg: 1 Festgenommener, 600 Rubel Geldstrafe.

Kaluga: 28 Festgenommene, keine weiteren Informationen.

Kemerovo: 2 Festgenommene.

Krasnodar: 64 Festgenommene, ein Teil wurde wieder freigelassen, einige Verfahren wurden bereits am Sonntag, den 6. Mai durchgeführt, weitere Verfahren wurden für den 10. Mai festgesetzt.

Krasnojarsk: 45 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Kurgan: 6 Festgenommene.

Nabereshnye Tschelny: 2 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Novokuznezk: 22 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Pensa: 9 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Rostov am Don: 2 Festgenommene, 1 Person zu 15 Tagen Haft verurteilt, eine zweite zu 7 Tagen Haft.

Samara: 16 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Smolensk: 1 Festgenommener, wieder auf freien Fuß gesetzt.

Sotschi: 5 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Tver: 6 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Toljatti: 63 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

Tomsk: 1 Festgenommener, wieder auf freien Fuß gesetzt.

Tscheljabinsk: 185 Festgenommene, ein Teil wurde wieder freigelassen, über einen Teil wurde am Sonntag, den 6. Mai verhandelt, eine Person wurde zu 25 Tagen Haft verurteilt.

Jakutsk: 75 Festgenommene, alle Personen wurden wieder freigelassen.

 

Nach den Festnahmen wurden zwischen dem 6. und 15. Mai bereits zahlreiche Haft- und Geldstrafen gegen Aktivisten verhängt. Wir veröffentlichen eine Liste (Stand 15. Mai 2018).

 

St. Petersburg

58 Personen wurden zu bis zu 15 Tagen Haftstrafe verurteilt

55 von ihnen erhielten zusätzliche Geldstrafen zwischen 500 und 170.000 Rubel

53 Personen Geldstrafen zwischen 500 und 15 000 Rubel, 5 von ihnen außerdem gemeinnützige Arbeit zwischen 10 und 20 Stunden

Desweiteren:

1 Person zu 10 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 10 Tage Haft und 20 Stunden gemeinnützige Arbeit

2 Personen 7 Tage Haft und 10 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 10 Tage Haft und 10 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 15 Tage Haft und 170 000 Rubel Geldstrafe

 

Die Organisation „Vesna“ berichtet ebenfalls von weiteren Geld-  und Haftstrafen für 10 ihrer Aktivisten im Zusammenhang mit dem 5. Mai in St. Petersburg.

 

Ufa

1 Person 20 Tage Haft

1 Person 18 Tage Haft

1 Person 30 Tage Haft

1 Person 25 Tage Haft

 

Tscheljabinsk

1 Person 10 000 Rubel Geldstrafe plus 20 Stunden gemeinnützige Arbeit

1 Person 10 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 30 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 25 Tage Haft

 

Novokusnezk

1 (minderjährige!) Person 10 000 Rubel Geldstrafe

 

Perm

1 Person 250 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 200 000 Rubel Geldstrafe

 

Voronesch

1 Person 3 Tage Haft und 5000 Rubel Geldstrafe

8 Personen 5000 Rubel Geldstrafe

7 Person 10 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 15 000 Rubel Geldstrafe

21 Personen 5 Tage Haft

5 Personen 4 Tage Haft

5 Personen 3 Tage Haft

12 Personen 2 Tage Haft

6 der zu Haftstrafen Verurteilten außerdem zusätzlich 10 000 Rubel Geldstrafe

 

Rostov am Don

1 Person 6 Tage Haft

 

Tscheboksary

3 Person 20 Stunden gemeinnützige Arbeit

1 Person 30 Stunden gemeinnützige Arbeit

1 Person 50 Stunden gemeinnützige Arbeit           

1 Person 10 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 22 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 10 000 Rubel Geldstrafe und 10 Stunden gemeinnützige Arbeit

1 Person 10 000 Rubel Geldstrafe und 30 Stunden gemeinnützige Arbeit

1 Person 20 000 Rubel Geldstrafe und 30 Stunden gemeinnützige Arbeit

 

Sotschi

1 Person 30 000 Rubel Geldstrafe

 

Jakutsk

8 Personen 10 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 30 000 Rubel Geldstrafe

 

Saratov

1 Person 150 000 Rubel Geldstrafe

 

Tomsk

1 Person 250 000 Rubel Geldstrafe

 

Tver

1 Person 5 Tage Haft

1 Person 5 Tage Haft und 10 000 Rubel Geldstrafe

1 Person 5 Tage Haft und 11 000 Rubel Geldstrafe

 

Kaluga

1 Person 10 000 Rubel Geldstrafe

 

Vladimir

4 Personen 1 Tag Haft

 

Moskau

1 Person 10 Tage Haft

 

Belgorod

3 Personen 10 Tage Haft

 

Kemerovo

1 Person 2 Tage Haft

 

Krasnodar

14 Personen 10500 Rubel Geldstrafe

 

16. Mai 2018

 

 

 

 

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