Solidaritätsveranstaltung im Sacharov-Zentrum, Drohungen von Mithäftlingen, Dmitrievs Anwalt zum Stand des Prozesses

 

Seit etwa einem Jahr läuft nun der zweite Prozess gegen Jurij Dmitriev, Vorsitzender von Memorial Karelien.

Dmitriev erforscht seit vielen Jahren die Geschichte des sowjetischen Terrors in Karelien, ermittelte die Namen von über 13.000 Opfern und verzeichnete sie in einem Gedenkbuch. Sein Name ist zudem eng mit der Gedenkstätte Sandarmoch bei Medvezhegorsk verbunden, wo während der Zeit des Großen Terrors Tausende von Menschen erschossen wurden.

In einem ersten Verfahren war Dmitriev vom Stadtgericht Petrozavodsk von dem Vorwurf der Pornographie freigesprochen und am 27. Januar 2018 aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Gleichzeitig verurteilte man ihn zu zweieinhalb Jahren Haft wegen unerlaubten Waffenbesitzes, die allerdings auf die in der Untersuchungshaft verbrachte Zeit angerechnet wurde.

Am 27. Juni 2018 wurde Dmitriev erneut verhaftet, diesmal wegen angeblicher gewaltsamer sexueller Handlungen gegen Minderjährige unter 14 Jahren [Art. 132, Abschn. 4b des russ. StGB], ihm drohen nun bis zu 20 Jahren Haft. Die Staatsanwaltschaft von Karelien und die Großmutter von Dmitrievs Pflegetochter waren gegen den Freispruch in Revision gegangen. Es folgte eine erneute psychiatrische Untersuchung in St. Petersburg, die ihm in einem Gutachten vollständige psychische Gesundheit bescheinigte und keinerlei psychische Abweichungen oder pädophile Neigungen feststellte.

Wie Dmitrievs Anwalt berichtete, wurde sein Mandant in der Untersuchungshaft nun kürzlich von Mitgefangenen, die Dmitriev zwingen wollten, ein Geständnis abzulegen, massiv bedroht, Dmitriev wurde daraufhin in eine andere Zelle verlegt. Gleichzeitig fand in Moskau am 29. Mai im Sacharov-Zentrum eine Veranstaltung zur Unterstützung von Dmitriev unter Beteiligung seiner Familie, seines Anwalts und mehrerer Prominenter wie Ljudmila Ulizkaja, Lija Achedshakova, Andrej Makarevitsch und Julij Kim statt. In einem Interview äußert sich Dmitrievs Anwalt, Viktor Anufriev, zum Stand der Dinge.

Wir bringen das Interview in leicht gekürzter Fassung:

Wie der russische Innenminister Vladimir Kolokolzev am 11. Juni mitteilte, ist das Verfahren gegen den Journalisten Ivan Golunov eingestellt worden. Begründet wird dies damit, dass seine Schuld nicht bewiesen sei.

Am Abend des 11. Juni werde Golunov aus dem Hausarrest entlassen.

Die Verhaftung Golunovs hatte im In- und Ausland eine breite Protestwelle ausgelöst.

11. Juni 2019

Ojub Titiev hatte am 15. Mai eine vorzeitige Haftentlassung beantragt. Wegen angeblichen Drogenbesitzes war er am 18. März dieses Jahres zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden.

Der Richter des Stadtgerichts Schali As-Saljal Kultschiev gab Titievs Antrag heute statt. Das Urteil tritt in zehn Tagen in Kraft.

Titiev will nach seiner Freilassung seine Menschenrechtsarbeit wieder aufnehmen.

 

10. Juni 2019

 

 

Bei der Festnahme des „Meduza“-Journalisten Ivan Golunov ist es zu zahlreichen schwerwiegenden Verfahrensverstößen gekommen. Die Tatsache, dass seine Angehörigen nicht verständigt und mehrere Stunden lang kein Anwalt zu ihm gelassen wurde, die dubiosen Umstände bei seiner persönlichen Durchsuchung sowie bei der Haussuchung, die von den Moskauer Behörden veröffentlichten gefälschten Fotos des „häuslichen Drogenlaboratoriums“, Schläge, verweigerte medizinische Hilfeleistung, eine längere Inhaftierung als zulässig – diese Liste ist noch unvollständig und gibt allen Anlass zu vermuten, dass ein Verfahren gegen ihn fabriziert werden sollte.

Es scheint wenig glaubwürdig, dass ein aktiv und erfolgreich recherchierender Journalist zugleich Drogenhandel betreibt. Wir wissen, wie leicht Verfahren fabriziert werden, in denen Aufbewahrung von Drogen unterstellt wird, so es wie z. B. bei den politischen Gefangenen Ojub Titiev, Andrej Kolomijz, Michail Savostin, Zhalaudi Geriev und Ruslan Kutaev der Fall war.

Dass derartige Rechtsverletzungen sowie die Fälschung von Beweismitteln in Strafverfahren notorisch ungeahndet bleiben, leistet dieser verbreiteten Praxis Vorschub.

Wir erklären uns mit Ivan Golunov solidarisch und fordern eine objektive und transparente Untersuchung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe.

Die Personen, die für die Verletzung von Golunovs Rechten verantwortlich sind und erst recht jene, die „Beweismittel“ für ein besonders schweres Verbrechen gefälscht haben, müssen ausfindig gemacht und bestraft werden. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die Unterstützungs- und Solidaritäts-Kampagne, die in kurzer Zeit weltweit in Gang kam, fortgesetzt wird.

10. Juni 2019

 

 

Der Journalist Ivan Golunov, der in Moskau am 6. Juni festgenommen wurde, soll laut Gerichtsbeschluss vom 8. Juni in den Hausarrest überstellt werden. Bis zum 7. August darf er seine Wohnung nicht verlassen.

Golunov ist als Korrespondent für das in Lettland ansässige Internetportal Meduza tätig und hat etliche Berichte über Korruption in Moskau publiziert. Meduza zufolge hat er immer wieder Drohungen erhalten.

Angeblicher Grund der Festnahme war versuchter Drogenhandel in großem Umfang (worauf eine Haftstrafe von 10 bis 20 Jahren steht) – in seinem Rucksack sowie später in seiner Wohnung sollen Drogen gefunden worden sein. Nach Aussage Golunovs wurden die Drogen ihm untergeschoben, ein in Russland nicht ungewöhnliches Vorgehen, wie es nicht zuletzt auch bei Ojub Titiev praktiziert wurde. Von der Polizei präsentierte und in den Medien verbreitete Fotos, auf denen Golunovs Wohnung mit den dort befindlichen Drogen zu sehen sein sollten, stammten in Wirklichkeit von einem anderen Örtlichkeit, wie inzwischen auch eingeräumt wurde.

In der Haft wurde Golunov misshandelt, geschlagen und getreten. Anwälte erreichten schließlich – gegen etlichen Widerstand – seine Einlieferung ins Krankenhaus. Diagnostiziert wurden zwei gebrochene Rippen, Prellungen und eine Gehirnerschütterung.

Sowohl in Russland als auch im Ausland kam es zu zahlreichen Protesten, in Russland wurden bei Einzelmahnwachen etliche Protestierende festgenommen. Eine Petition für die Freilassung Ivan Golunovs finden Sie hier.

8. Juni 2019

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