Neuerscheinung: Publikation von Memorial in deutscher Übersetzung

Beim Verlag Matthes & Seitz in Berlin ist in diesen Tagen unter dem Titel „Ich glaube an unsere Kinder“ die von Christina Links übersetzte deutsche Ausgabe von „Papiny pisma“ (Papas Briefe) mit einem Vorwort von Irina Scherbakova erschienen.

Die Publikation ist aus einer Ausstellung hervorgegangen, die Memorial erstmals 2013 in Moskau präsentiert hat. Ergänzt und zu einer Wanderausstellung umgearbeitet wurde sie seither nicht nur vielerorts in Russland gezeigt, sondern auch schon in Deutschland (im Oktober 2018 in Freiburg). Das russische Original liegt bereits seit 2014 vor.

Die Briefe stammen aus Privatarchiven, die Memorial überlassen wurden. Es sind Briefe Gefangener an ihre in Freiheit verbliebene Familie und vor allem an ihre Kinder, deren Heranwachsen die Väter aus der Ferne begleiten wollten. Sie versuchten, ihnen Kenntnisse zu vermitteln und sie auch an ihrem Leben teilhaben zu lassen.

Mit dieser Publikation werden dem deutschen Leser singuläre Dokumente zugänglich, die einen wenig beachteten Aspekt des Lagerlebens beleuchten – den Versuch, über Jahre hinweg bei fast völlig fehlendem persönlichem Kontakt ein Familienleben aufrechtzuerhalten in der Erwartung, später daran anknüpfen zu können. Die Hoffnung, später einmal zur Familie zurückkehren zu können, erwies sich allerdings in fast allen Fällen als Illusion.

 

1. Februar 2019

 

 

 

Am 19. Januar fanden in Moskau und St. Petersburg wie alljährlich der Marsch zur Erinnerung an Stanislav Markelov und Anastasija Baburova sowie Einzelkundgebungen statt. Der Anwalt und Menschenrechtsaktivist Markelov und die Journalistin Baburova waren am 19. Januar 2009 am helllichten Tag auf offener Straße von Neonazis erschossen worden. Markelov hatte sich bei seiner Arbeit immer wieder für linke Aktivisten eingesetzt. In Moskau, wo die Aktion von den Behörden genehmigt worden war, nahmen mehrere hundert Menschen teil. In Petersburg hatten die Behörden den Marsch zunächst genehmigt, ihre Genehmigung dann aber wieder zurückgezogen. Zeitgleich wurde die Aktion von etwa hundert Demonstranten in London unterstützt. In Petersburg wurden bei Einzelkundgebungen zunächst sechs Personen, im weiteren Verlauf der Aktion mindestens fünf Personen festgenommen, die jedoch noch am selben Tag wieder auf freien Fuß gesetzt wurden.

In Moskau kam es ebenfalls zu mehreren Verhaftungen. So wurde der Journalist Igor Jasin festgenommen, als er eine Fahne in Regenbogenfarben entrollte. Neben Jasin wurden drei weitere Personen festgenommen, unter ihnen Nikolaj Kretov, Mitarbeiter der Moskauer Helsinki Gruppe, der Jasin zur Hilfe geeilt war. Nach Angaben eines der Verhafteten sagte ein Polizist während der Festnahme zu ihm: „Wenn es nach mir ginge, würde ich dich umbringen.“ Im Polizeibus dann sei er geschlagen worden. Man brachte die Aktivisten auf die Polizeiwache und ließ zunächst keine Anwälte zu ihnen vor. Gegen alle vier wurde ein Protokoll wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt aufgenommen (§ 19.3 Ordnungsstrafrecht der RF), gegen Kretov zusätzlich wegen Verletzung des Ablaufs einer öffentlichen Veranstaltung (§ 20.2 Abschn.5 Ordnungsstrafrecht der RF). Zusätzlich ließ man sie bis zum Ablauf der 48-Stundenfrist in Haft und setzte sie erst am 21. Januar wieder auf freien Fuß. Jasin wurde noch am 21. Januar zu einer Strafe von 20.000 Rubel (etwa 264 Euro) verurteilt.

22. Januar 2019

 

 

 

 

 

Am 11. Dezember, nach der Trauerfeier für Ljudmila Aleksejeva, tagte der von Michail Fedotov geleitete Rat beim Präsidenten zur Entwicklung von Zivilgesellschaft und Menschenrechten (kurz „Menschenrechtsrat“) erstmals in neuer Zusammensetzung. Dies war zugleich die einmal jährlich stattfindende Tagung im Beisein von Präsident Putin.

Memorial International ist im Menschenrechtsrat nicht mehr vertreten. Umso häufiger war aber von Memorial die Rede. Dies war vor allem dem Historiker und Journalisten Nikolaj Svanidse zu verdanken.

Das wissenschaftliche Zentrum für Information und Aufklärung von Memorial (NIPC) in Moskau wird einer außerplanmäßigen Überprüfung unterzogen. Dies wurde der Organisation noch im Dezember letzten Jahres mitgeteilt. Heute hat das Zentrum dem Justizministerium die angeforderten Dokumente übermittelt.

In dem Bescheid vom Justizministerium heißt es, Gegenstand der Überprüfung sei „die Tätigkeit des Verbandes als nichtkommerzielle Organisation, die die Funktion eines ausländischen Agenten ausübe und sich nicht als solche hat registrieren lassen“.

Ergebnis derartiger Überprüfungen ist in der Regel die Eintragung in das Verzeichnis angeblicher „ausländischer Agenten“ durch das Justizministerium (mit den bekannten negativen Folgen). Von den fünf Moskauer Memorial-Verbänden wurden am 21. Juli 2014 bereits das Menschenrechtszentrum und am 4. Oktober 2016 die Internationale Gesellschaft Memorial als „Agent“ registriert. Beide Entscheidungen werden noch juristisch angefochten.

 

14. Januar 2019

 

 

Lev Ponomarev, der vor einigen Tagen zu 25 Tagen Haft verurteilt wurde - die Haft wurde inzwischen auf 16 Tage herabgesetzt -, wird nicht an den Beisetzungsfeierlichkeiten für die Menschenrechtlerin Ljudmila Aleksejeva teilnehmen können.

Ljudmila Aleksejeva war am 8. Dezember verstorben. Sie war eine der bekanntesten Menschenrechtsaktivisten in Russland. 1976 war sie maßgeblich an der Gründung der Moskauer Helsinki-Gruppe beteiligt. Bereits 1977 wurde sie zur Emigration gezwungen und lebte bis 1993 in den USA, dann kehrte sie nach Russland zurück. 1996 übernahm sie die Leitung der neu gebildeten Moskauer Helsinki-Gruppe.

Die offizielle Trauerfeier für Ljudmila Aleksejeva findet am 11. Dezember vormittags im „Haus des Journalisten“ statt.

Lev Ponomarev war mit Ljudmia Aleksejeva eng verbunden. Das Gericht, das über eine Haftaussetzung zu entscheiden hatte, befand jedoch, dass er ihr nicht nahegestanden und ihr Kontakt sich auf ihre gemeinsamen Projekte beschränkt habe.

10. Dezember 2018

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