Wie der russische Innenminister Vladimir Kolokolzev am 11. Juni mitteilte, ist das Verfahren gegen den Journalisten Ivan Golunov eingestellt worden. Begründet wird dies damit, dass seine Schuld nicht bewiesen sei.

Am Abend des 11. Juni werde Golunov aus dem Hausarrest entlassen.

Die Verhaftung Golunovs hatte im In- und Ausland eine breite Protestwelle ausgelöst.

11. Juni 2019

Bei der Festnahme des „Meduza“-Journalisten Ivan Golunov ist es zu zahlreichen schwerwiegenden Verfahrensverstößen gekommen. Die Tatsache, dass seine Angehörigen nicht verständigt und mehrere Stunden lang kein Anwalt zu ihm gelassen wurde, die dubiosen Umstände bei seiner persönlichen Durchsuchung sowie bei der Haussuchung, die von den Moskauer Behörden veröffentlichten gefälschten Fotos des „häuslichen Drogenlaboratoriums“, Schläge, verweigerte medizinische Hilfeleistung, eine längere Inhaftierung als zulässig – diese Liste ist noch unvollständig und gibt allen Anlass zu vermuten, dass ein Verfahren gegen ihn fabriziert werden sollte.

Es scheint wenig glaubwürdig, dass ein aktiv und erfolgreich recherchierender Journalist zugleich Drogenhandel betreibt. Wir wissen, wie leicht Verfahren fabriziert werden, in denen Aufbewahrung von Drogen unterstellt wird, so es wie z. B. bei den politischen Gefangenen Ojub Titiev, Andrej Kolomijz, Michail Savostin, Zhalaudi Geriev und Ruslan Kutaev der Fall war.

Dass derartige Rechtsverletzungen sowie die Fälschung von Beweismitteln in Strafverfahren notorisch ungeahndet bleiben, leistet dieser verbreiteten Praxis Vorschub.

Wir erklären uns mit Ivan Golunov solidarisch und fordern eine objektive und transparente Untersuchung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe.

Die Personen, die für die Verletzung von Golunovs Rechten verantwortlich sind und erst recht jene, die „Beweismittel“ für ein besonders schweres Verbrechen gefälscht haben, müssen ausfindig gemacht und bestraft werden. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die Unterstützungs- und Solidaritäts-Kampagne, die in kurzer Zeit weltweit in Gang kam, fortgesetzt wird.

10. Juni 2019

 

 

Der Journalist Ivan Golunov, der in Moskau am 6. Juni festgenommen wurde, soll laut Gerichtsbeschluss vom 8. Juni in den Hausarrest überstellt werden. Bis zum 7. August darf er seine Wohnung nicht verlassen.

Golunov ist als Korrespondent für das in Lettland ansässige Internetportal Meduza tätig und hat etliche Berichte über Korruption in Moskau publiziert. Meduza zufolge hat er immer wieder Drohungen erhalten.

Angeblicher Grund der Festnahme war versuchter Drogenhandel in großem Umfang (worauf eine Haftstrafe von 10 bis 20 Jahren steht) – in seinem Rucksack sowie später in seiner Wohnung sollen Drogen gefunden worden sein. Nach Aussage Golunovs wurden die Drogen ihm untergeschoben, ein in Russland nicht ungewöhnliches Vorgehen, wie es nicht zuletzt auch bei Ojub Titiev praktiziert wurde. Von der Polizei präsentierte und in den Medien verbreitete Fotos, auf denen Golunovs Wohnung mit den dort befindlichen Drogen zu sehen sein sollten, stammten in Wirklichkeit von einem anderen Örtlichkeit, wie inzwischen auch eingeräumt wurde.

In der Haft wurde Golunov misshandelt, geschlagen und getreten. Anwälte erreichten schließlich – gegen etlichen Widerstand – seine Einlieferung ins Krankenhaus. Diagnostiziert wurden zwei gebrochene Rippen, Prellungen und eine Gehirnerschütterung.

Sowohl in Russland als auch im Ausland kam es zu zahlreichen Protesten, in Russland wurden bei Einzelmahnwachen etliche Protestierende festgenommen. Eine Petition für die Freilassung Ivan Golunovs finden Sie hier.

8. Juni 2019

Ojub Titiev hatte am 15. Mai eine vorzeitige Haftentlassung beantragt. Wegen angeblichen Drogenbesitzes war er am 18. März dieses Jahres zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden.

Der Richter des Stadtgerichts Schali As-Saljal Kultschiev gab Titievs Antrag heute statt. Das Urteil tritt in zehn Tagen in Kraft.

Titiev will nach seiner Freilassung seine Menschenrechtsarbeit wieder aufnehmen.

 

10. Juni 2019

 

 

Erklärung der Internationalen Gesellschaft MEMORIAL

Bereits 20 Jahre – seit 1999 – führt MEMORIAL International jährlich den Schülerwettbewerb „Der Mensch in der Geschichte. Russland – das 20. Jahrhundert“ für die Oberstufe durch. In diesen 20 Jahren haben etwa 50.000 Schüler aus allen russischen Regionen daran teilgenommen. Mitglieder der Jury waren zu verschiedenen Zeiten Akademiemitglied Sigurd Schmidt sowie die Schriftsteller Daniil Granin und Svetlana Alexijewitsch. Heute leitet Ljudmila Ulizkaja die Jury. Die Hauptaufgabe des Wettbewerbs besteht darin, bei den Schülern das Interesse an der russischen Geschichte sowie an der Geschichte ihrer Familie, ihrer kleinen Heimat, zu wecken.

Seit 2016 ist der Wettbewerb Attacken von Aktivisten der radikalen Organisationen NOD (Nationale Befreiungsbewegung) und SERB (South East Radical Block) ausgesetzt, und das nicht ohne publizistische Schützenhilfe durch die föderalen Fernsehkanäle REN-TV und Rossija 24. In diesem Jahr strahlte Rossija 24 am Abend vor der Jubiläumsveranstaltung - der zwanzigsten Preisverleihung - einen Beitrag aus, in dem der Wettbewerb und seine Teilnehmer auf perfide Weise verleumdet wurden. Die Organisatoren des Wettbewerbs wurden als „moderne Judasse“ bezeichnet, die Autoren folgten damit den übelsten Traditionen der sowjetischen Propaganda. Diese Kampagne wurde auch nach der Preisverleihung fortgesetzt. Vorwürfe des „Antipatriotismus“ und des Ansinnens, die Geschichte „umzuschreiben“, wurden nicht nur gegen die Organisatoren erhoben, sondern auch gegen die Schüler und ihre Lehrer.

Das Empörendste spielte sich jedoch erst ab, nachdem die Preisträger nach Hause zurückgekehrt waren. Seit dem 6. Mai erfährt das Organisationskomitee des Wettbewerbs immer häufiger davon, dass in den meisten der 24 Regionen, in denen die diesjährigen Preisträger leben, ihre wissenschaftlichen Leiter und Lehrer zu den Schuldirektoren zitiert werden, zu Unterredungen mit Personen, die sich als Mitarbeiter lokaler Bildungsabteilungen, der Regionalverwaltung oder des FSB ausgeben. Die Lehrer werden befragt, wie die Information über den Wettbewerb verbreitet wird, es wird verlangt, die Arbeiten der Teilnehmer vorzulegen (auch aus früheren Jahren) und von einer weiteren Zusammenarbeit mit Memorial wird nachdrücklich abgeraten. Gelegentlich wurden zu solchen prophylaktischen Gesprächen auch die Laureaten, die Schüler selbst, dazugeladen.

Die Tatsache, dass diese Besuche in den Schulen mehrerer Regionen synchron und parallel verliefen, deutet darauf hin, dass diese „Überprüfungen“ keine lokale Initiative sind, sondern zentral gesteuert.

Wir sehen darin nicht nur den Versuch, die langjährige Bildungsarbeit von Memorial zu diskreditieren, sondern auch das Bestreben, Schüler und Lehrer in Angst zu versetzen und Zensur auszuüben. Diese Versuche, die Teilnehmer des Wettbewerbs unter Druck zu setzen, sind inakzeptabel.

Wir hoffen auf die Unterstützung und Solidarität der Öffentlichkeit.

 

4. Juni 2019

 

 

 

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