"Letzte Adressen" werden demontiert
Immer mehr wird versucht, das jahrzehntelange Wirken von Memorial im Sinne einer Aufklärung über die sowjetische Vergangenheit rückgängig zu machen und zu annullieren.
"Letzte Adressen" werden demontiert
Immer mehr wird versucht, das jahrzehntelange Wirken von Memorial im Sinne einer Aufklärung über die sowjetische Vergangenheit rückgängig zu machen und zu annullieren.
Sinajida Kostenko: „Von unserem Nachbarn ist nichts mehr übrig geblieben, nur seine Schuhe.“
Oleksij Sydorenko
Sinajida Kostenko, eine Bewohnerin des Dorfes Moschtschun, erzählt von dem Grauen der ersten Tage des flächendeckenden Krieges. Ihr Haus wurde vollständig zerstört, sogar die Konserven im Keller sind verbrannt.
Bachrom Chamroev, der am 24. Februar 2022 verhaftet worden war, wurde am 23. Mai 2023 zu 14 Jahren Haft verurteilt. Die ersten drei Jahre soll er im Gefängnis verbringen, die folgenden elf unter strengem Regime in einer Strafkolonie.
Digest der russischen Anti-Kriegsproteste vom 17.04.2023 – 23.4.2023
Fortsetzung der Geschichte der Familie Moskalev
Das Gericht wies die Klage auf Einschränkung der elterlichen Rechte des Vaters und der Mutter von Mascha Moskaleva, die in der Schule eine Anti-Kriegszeichnung angefertigt hatte, ab.
Im Zusammenhang mit dem Strafverfahren wegen angeblichen „Schmuggels von Kulturgütern“ wurde Aleksandr Tschernyschov am Samstag (20. Mai) nicht, wie vorgesehen, aus der Ordnungshaft in Moskau entlassen, sondern weiter in Haft gehalten und zurück nach Perm gebracht.
Die gestern begonnenen Razzien und Durchsuchungen in Perm werden fortgesetzt. Heute wurde die Wohnung der Juristin und Anwältin Jelena Perschakova durchsucht, die die Interessen von Memorial Perm vertritt.
Heute kam es erneut zu mehreren Haussuchungen im Perm. Betroffen waren etliche Aktivisten aus der Zivilgesellschaft, darunter Svetlana Makovezkaja, Ivan Averkiev, Tatjana Margolina, Vera Sedinina, Tatjana Tscherepanova, Nadedzhda Agischeva, Oksana Asaulenko und Sergej Maksimov. Tatjana Margolina war seinerzeit Menschenrechtsbeauftragte von Perm, sie sowie Svetlana Makovezkaja gehören heute dem Menschenrechtsrat beim Präsidenten an. Mehrere der Betroffenen sind Mitglieder des Zentrums für historische Erinnerung (der Nachfolge-Organisation von Memorial Perm).
Erklärung der Internationalen Vereinigung Memorial
Am 17. Mai hat das Militärgericht des Zweiten Westlichen Bezirks in Moskau den 63-jährigen zivilgesellschaftlichen Aktivisten Michail Krieger zu sieben Jahren Freiheitsentzug gewöhnlichen Regimes in einer Strafkolonie verurteilt. Krieger ist Mitglied im Memorial-Verband des Gebiets Moskau und der Bewegung „Solidarnost“ (Solidarität). Er wurde im November letzten Jahres wegen eines Facebook-Posts verhaftet. Ihm wird „Rechtfertigung des Terrorismus“ und das „Schüren von Hass, verbunden mit der Gewaltandrohung“ zur Last gelegt.
Memorial International wurde am 28. Februar 2022 vom Obersten Gerichtshof Russlands zwangsaufgelöst. Aber Memorial lässt sich nicht "auflösen", genauso wie man einem Menschen nicht verbieten kann, zu denken und sich zu erinnern. Denn Memorial ist nicht nur eine Organisation und eine gesellschaftliche Bewegung — es sind vor allem Menschen auf der ganzen Welt, die gemeinsame Werte teilen und die Wahrheit über ihre tragische Vergangenheit wissen wollen. Und Memorial hat seine Tätigkeit fortgesetzt. Am 16. Mai 2023 vollzogen fünfzehn Memorial-Organisationen aus neun Ländern den entsprechenden juristischen Schritt und gründeten in Genf die Internationale Vereinigung Memorial, die Nachfolger-Organisation von Memorial International mit seiner über 35-jährigen Geschichte.