Bericht von MEMORIAL-Veranstaltungen im Rahmen der Messe

Auch in diesem Jahr war die Internationale Gesellschaft MEMORIAL auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. Im Mittelpunkt standen unsere beiden Veranstaltungen – zunächst die Präsentation des soeben in deutscher Übersetzung erschienenen Bandes „Sowjetische Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland. Der leitende Personalbestand der Staatssicherheitsorgane der UdSSR in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR 1945 bis 1954“ und die gemeinsame Veranstaltung mit dem russischen Verlag ROSSPEN zur russischen Geschichtspolitik heute.




An der Buchpräsentation nahmen Gerd Poppe von der Bundesstiftung Aufarbeitung, der Autor Nikita Petrov, der Historiker und wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte Jan Foitzik sowie von MEMORIAL Irina Schtscherbakova und Vera Ammer teil.

Nikita Petrov und Jan Foitzik erläuterten die Bedeutung des Bandes für die Wissenschaft. Die Erstellung solcher Nachschlagewerke sowie die von Dokumenten (zur NKVD-Arbeit in der SBZ/DDR ist im letzten Jahr ein umfangreicher Dokumentenband von Nikita Petrow und Jan Foitzik erschienen) schaffen die Basis für spätere Monographien.
Zudem ist der Band ein wichtiges Nachschlagewerk auch für die seinerzeit Betroffenen – für die politisch Verfolgten in der SBZ-DDR, die hier Biographien von Personen finden können, die für ihre Verfolgungen mit verantwortlich waren. Die Biographien behandeln auch die Zeit vor und die nach dem Einsatz in der SBZ/DDR, gerade ihr Werdegang danach ist nicht uninteressant, zumal er nicht immer ohne Brüche verlief.
Fragen aus dem Publikum betrafen die Auswahl der Biographien, es wurde geklärt, dass Mitarbeiter der rein militärischen Strukturen nicht aufgenommen wurden. Außerdem wurde gefragt, ob NKVD-Mitarbeiter später für Ihre Taten bestraft worden seien. Dies musste Petrov weitgehend verneinen, es ist allenfalls für Übergriffe (d. i. Folterungen) während der großen Säuberung später mitunter zu Degradierungen oder Rentenkürzungen gekommen.

Thema der zweiten Veranstaltung war die Geschichtspolitik im heutigen Russland. Teilnehmer waren Andrej Sorokin vom Verlag ROSSPEN, seit kurzen Leiter des KPdSU-Archivs, Irina Schtscherbakova, Nikita Petrov und als Moderator Gerd Koenen.
In der von ROSSPEN (Russische politische Enzyklopädie) begonnenen Serie „Geschichte des Stalininismus“ (zunächst angelegt auf 100 Bände) sind inzwischen 60 Bände erschienen" target="_blank"><img src="typo3temp/pics/33b4c0cd7a.jpg" border="0" height="211" width="283" alt="" />

Eine Erinnerungspolitik im eigentlichen Sinne existiert Sorokin zufolge gar nicht. Verbreitet sei nach wie vor die Neigung zu einer Legitimierung der sowjetischen Vergangenheit – die „insgesamt nicht schlecht gewesen“ sei, negative Erscheinungen seien Folge objektiver Umstände gewesen. Einer der Gründe für diese Haltung sei vor allem die verbreitete Großmacht-Nostalgie.

 

Die Machthaber hätten sich durchaus schon in anderem Sinne geäußert, Sorokin erinnerte an den Auftritt von Putin auf dem Massenerschießungsplatz in Butowo und an den Besuch Medwedews beim Gedenkort in Magadan. Es gibt also gegensätzliche Signale. Die in den letzten Jahren erschienenen und von staatlicher Seite empfohlenen Geschichtslehrbücher weisen laut Irina Schtscherbakova dagegen in eine andere Richtung, sie liefern zunehmend Argumente, die die Verbrechen Stalins rechtfertigen oder zumindest verharmlosen.
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