Nach dem Inkrafttreten der erneuten Verschärfung des sogenannten Agentengesetzes am 1. März 2021, die die Arbeit der in Russland als „ausländischer Agent“ registrierten NGOs noch weiter einschränkt, hat der Vorsitzende der Bewegung „Za prava tscheloveka“ (Für Menschenrechte) Lev Ponomarev die Selbstauflösung der Organisation bekanntgegeben.

Das oberste Gericht der Russischen Föderation hatte in der Vergangenheit bereits 2019 einem Antrag des Justizministeriums stattgegeben und die Liquidierung von „Za prava tscheloveka“ einschließlich aller ihrer strukturellen Untergliederungen beschlossen. Daraufhin hatte die in ganz Russland vernetzte Bewegung am 30.11.2019 zunächst eine neue gleichnamige Organisation ins Leben gerufen und dabei auf den Status einer „Juristischen Person“ verzichtet. Nach der jetzigen Verschärfung jedoch können nicht mehr nur juristische Personen als „Ausländische Agenten“ gebrandmarkt werden, sondern auch physische. 

Zur Entscheidung über die Selbstauflösung erklärte Ponomarev: „Die Regierung hat ein Gesetz verabschiedet, dem gemäß Nicht-Regierungsorganisationen, die nicht als juristische Person registriert sind, ebenfalls als ‚ausländische Agenten' verzeichnet werden müssen.“ Die jetzige Auflösung erfolge also im Interesse derjenigen Experten und Spezialisten, die unter dem Label der Organisation in den verschiedensten Regionen des Landes arbeiteten, für die man verantwortlich sei und gegen die nun Strafen verhängt werden könnten: „Wenn wir keine Erklärung abgeben, dass wir ein ‚ausländischer Agent‘ sind, werden auf der Stelle etwa tausend Menschen im ganzen Land mit Geldstrafen belegt.“ Erkläre man sich hingegen zum „Ausländischen Agenten“, würde es sehr schwer, alle darüber zu informieren, was nun zu tun sei und bei einem Gehalt zwischen 15.000 und 20.000 Rubel wiege eine Geldstrafe von 5.000 Rubel sehr schwer. 

Dessen ungeachtet, so erklärte Ponomarev weiter, werden jedoch die beiden von ihm geleiteten Hauptorganisationen „Gorjatschaja linija“ [Hotline] und „V zaschtschity prav zakljutschennych“ [Zur Verteidigung der Rechte von Häftlingen] ihre Arbeit fortsetzen. Ponomarev drückte zudem die Hoffnung aus, dass die derzeitigen Schwierigkeiten vorübergehend seien: „Ich hoffe, dass die Situation in unserem Land sich verändern wird und Nicht-Regierungsorganisationen keine Feinde mehr sein werden. […] Wir tun sehr viel nützliche Dinge für die Gesellschaft und die Menschen, wir helfen und retten manchmal sogar Menschenleben. Wollen wir hoffen, dass wir uns früher oder später neu konstituieren können, so wie dies auch bei der Moskauer Helsinki Gruppe der Fall war. In der Sowjetzeit wurde sie liquidiert, weil ein Teil ihrer Mitglieder inhaftiert wurde und ein Teil ins Ausland ging. Aber 1989 wurde sie erneut gegründet und existiert bis heute. Ich hoffe, dass das mit „Za prava tscheloveka“ ebenfalls passieren wird.“

21. März 2021

 

 

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