Erklärung von Memorial International

 

Am 12. November wurde in Russland nach einem 2015 verabschiedeten Gesetz eine weitere ausländische humanitäre Nichtregierungsorganisation für „unerwünscht“ erklärt – die tschechische NGO "People in Need". Das bedeutet, dass diese in Russland keinerlei Tätigkeit mehr ausüben darf und dass jegliche Kontakte inländischer Organisationen mit ihr strikt verboten sind. Die NGO hat ihre Arbeit in Russland daher umgehend ausgesetzt und erklärt dazu auf Facebook: „Um unsere russischen Partner nicht zu gefährden, haben wir beschlossen, all unsere Aktivitäten in Russland zeitweilig einzustellen. Wir werden uns jedoch weiterhin für Menschenrechte und demokratische Werte in Russland einsetzen.“

Es folgt die Erklärung von Memorial International aus diesem Anlass, die von zahlreichen weiteren Organisationen unterstützt wird.

 

Am 12. November 2019 hat das Justizministerium die Organisation „Člověk v tísni“ („People in Need“, Tschechische Republik) als Organisation registriert, deren Tätigkeit in der Russischen Föderation unerwünscht ist. Es beruft sich dabei auf das Bundesgesetz zu „Maßnahmen gegen Personen, die sich an der Verletzung grundlegender menschlicher Rechte und Freiheiten von Bürgern der Russischen Föderation“ beteiligen, sowie auf die Entscheidung des Stellvertretenden Generalstaatsanwalts der Russischen Föderation vom 7. November 2019.

Als Vertreter russischer gesellschaftlicher Organisationen sind wir mit der Arbeit unserer tschechischen Freunde und Kollegen vertraut. In gewissem Sinne hat die Organisation „People in Need“ wirklich mit der Verletzung von Menschenrechten und Freiheiten zu tun, insofern nämlich, als sie diese konsequent und kompromisslos bekämpft.

Unsere tschechischen Kollegen haben in vielen Ländern über Jahre hinweg uneigennützig Menschen geholfen, die darauf angewiesen waren – so auch in Russland. Die Registrierung dieser humanitären Organisation als „unerwünscht“ demonstriert eine unerträgliche Undankbarkeit der russischen Behörden. Wir sind über diese Entscheidung eines anonymen Stellvertretenden Generalstaatsanwalts bestürzt und rufen dazu auf, sie umgehend zu annullieren und sich offiziell dafür zu entschuldigen. Die immer mehr um sich greifende Praxis, Rechte zu beschneiden, die von der Verfassung garantiert werden, ist für uns inazeptabel. Die Arbeit dieser Organisation durch einen nichtöffentlichen Verwaltungsakt zu verbieten, ohne dass es die geringsten Beanstandungen gäbe, verstößt gegen die Grundlagen der Verfassungsordnung.

Im 20. Jahrhundert hat die Auflösung aller unabhängigen gesellschaftlichen Strukturen den Massenterror erst möglich gemacht, dem Millionen unserer Mitbürger zum Opfer fielen. Die letzte Entwicklung zeigt, dass die Machthaber unseres Landes die Tragödie unserer Vergangenheit immer noch nicht begriffen haben. Und darin liegt die eigentliche Gefahr für Russlands Zukunft.

 

15. November 2019

 

Es folgen die Unterschriften weiterer Organisationen, unter anderem folgende:

Moskauer Helsinki-Gruppe
Komitee „Bürger-Unterstützung"
Sacharov-Zentrum
Menschenrechtszentrum Memorial
Initiativgruppe Jugend-Memorial Perm
Zentrum für die Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten
Soldatenmütter St. Petersburg
Stiftung „Öffentliches Verdikt"
Interregionale Menschenrechtsorganisation „Mensch und Gesetz"
Bürgerkontrolle (Menschenrechtsorganisation St. Petersburg)
Institut für Menschenrechte
OVD-Info

 

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