Erklärung von Memorial International
Die russische Regierung lässt nichts unversucht, um die Zivilgesellschaft im Land zu vernichten.
Am 25. Januar erfolgte der Gerichtsbeschluss zur Auflösung der Moskauer Helsinki-Gruppe.
Am 27. Januar wurde die populäre Internet-Publikation „Meduza“ zu einer „unerwünschten Organisation“ erklärt.
Am 23. Januar wurde die Sacharov-Stiftung zur „unerwünschten Organisation“ erklärt, die von Freunden Andrej Sacharovs in den USA gegründet worden war. Einige Tage darauf wurde der Angriff auf das Erbe Sacharovs fortgesetzt – dem Sacharov-Zentrum in Moskau wurden seine Räumlichkeiten und seine Arbeitsgrundlagen entzogen.
Wie man sieht, war das „Sacharov-Jahr“, das 2021 in Russland anlässlich seines 100. Geburtstag begangen wurde, nichts als reine Heuchelei, der Versuch, die hohe moralische Autorität einer der herausragendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts zu eigenen Zwecken zu instrumentalisieren.
Wie dem Sowjetregime sind auch den derzeitigen Machthabern die Ideale geistiger Freiheit und der Menschenrechte zutiefst verhasst.
Aber sie trauen sich nicht, das offen auszusprechen. Wenn sie die Schließung unabhängiger Organisationen erzwingen, Publikationen verbieten und Menschen wegen kritischer Meinungsäußerungen verfolgen, führen sie dafür die absurdesten formalen Vorwände ins Feld.
Eine Regierung, die sich gegen die Gesellschaft stellt, beraubt sich ihrer Legitimität.
Eine Regierung, die von der Mehrheit der Wähler unterstützt wird, fürchtet sich nicht vor Einzelmahnwachen oder anderen Formen friedlichen Protests.
Eine Regierung, die sich der Unterstützung ihrer Bürger sicher ist, schränkt die Wahlbeobachtung nicht ein. Sie bedarf keiner Wahlfälschungen.
Eine Regierung, die davon überzeugt ist, im Recht zu sein, hat keine Angst vor kritischen Ansichten und geht nicht mit polizeilichen Mitteln gegen sie vor.
Eine legitime Regierung fürchtet sich nicht vor der Zivilgesellschaft.
Der Vorstand von Memorial International (durch Gerichtsbeschluss aufgelöst)
30. Januar 2023