Iryna Skatschko / Charkiver Menschenrechtsgruppe
In der Haftanstalt in Donskoj, Gebiet Tula, werden unsere Kriegsgefangenen misshandelt, geschlagen, gefoltert. Zwei Mitarbeiter der Strafkolonie wurden identifiziert, die im Verdacht stehen, Ukrainer gefoltert zu haben. Der Generalstaatsanwalt hat Anzeige gegen Vladislav Tarasov und Jevhen Mjasnikov erstattet.
Offiziell trägt die Folterstätte die Bezeichnung „Besserungskolonie Nr. 1, Justizvollzugsanstalt im Gebiet Tula“. Sie befindet sich im Gebiet Tula, Donskoj, Bezirk Komsomol, Dimitrovstr. 1.
Die interaktive Karte zu ukrainischen Kriegsgefangenen von T4P (Tribunal for Putin) verzeichnet für den 29. Oktober dort mindestens 51 Ukrainer.
Misshandlungen
In der Haftanstalt waren die Kriegsgefangenen physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt, insbesondere wurden die Ehre und Würde der Person verletzt. Die grausame Behandlung und Menschenrechtsverletzungen dauerten die gesamte Zeit der Inhaftierung an“, heißt es in einer der veröffentlichten Anzeigen.
Tarasov und Mjasnikov wird insbesondere die grausame Behandlung ukrainischer Kriegsgefangener zur Last gelegt, die im Gebiet Tschernihiv in Gefangenschaft geraten waren. Am 9. Mai 2022 zwangen sie einen Ukrainer, beim Hofgang eine „Schwalbenstellung“ einzunehmen - Gesicht zur Wand, Arme und Beine so weit wie möglich gespreizt - und dabei schlugen ihm mit einem Metallrohr auf die Füße. Später folterten sie einen Mann, um Informationen über einen russischen Piloten zu erhalten, der in der Ukraine gefangen genommen worden war. Sie schlugen ihn mit einem Gummiknüppel auf die Beine und die Rippen. Als er gefallen war, schlugen sie ihn weiter auf ihn ein.
Ein anderes Mal zwang Tarasov ihn erneut, eine „Schwalbenstellung“ einzunehmen und schlug ihn mit einem Rohr und einem Gummiknüppel in den Nacken und auf den Kopf. Mjasnikov schnitt einem Gefangenen mit einer Schere ins Bein. Derselbe Sadist zwang einen Gefangenen beim Hofgang, Schmutzwasser aus einer Pfütze im Mund zu einer anderen Pfütze zu bringen. Zigaretten wurden im Gesicht und an den Händen der Gefangenen ausgedrückt.
Die Strafverfolgungsbehörden weisen darauf hin, dass das internationale Völkerrecht Gewalt gegen Leben und Person, Folterungen und Verletzungen der Menschenwürde von Kriegsgefangenen ausdrücklich verbietet. Die Mitarbeiter der Strafkolonie von Tula Tarasov und Mjasnikov stehen im Verdacht, Kriegsgefangene misshandelt zu haben (Art. 438-28-1 StGB der Ukraine).
Weitere Zeugenaussagen
Die Gefangenen, die in der Strafkolonie für strengen Vollzug in Donskoj einsitzen, haben unter besonders grausamen Haftbedingungen zu leiden: Die Ukrainer werden erniedrigt, gefoltert sowie Kälte und Hunger ausgesetzt. Etliche sind an Tuberkulose erkrankt.
In dieser Folterstätte befand sich ein weiterer ukrainischer Gefangener, über den bereits berichtet wurde - Roman Kryvulja. Er berichtet, dass die Misshandlungen der Ukrainer unmittelbar nach ihrem Eintreffen in Donskoj einsetzten. Man nahm die „Neulinge“ mit grausamen Schlägen in Empfang und ließ sie stundenlang in der Hocke sitzen. Man gab Kleidung aus, die nicht passte, und trieb sie mit Schlagstöcken in die Zellen.
- „Sie zogen uns nackt aus. Geh nach oben, zieh Unterhosen an‘ — die waren zehnmal zu groß — ‚und eine Uniform.‘ Ich sagte, dass ich sie nicht befestigen kann und das nicht hält. Er darauf: ‚Zieh deine Hose an und steck sie in die Unterhose.‘ Sie verpassten mir Stromschläge und trieben mich mit Schlagstöcken in die Zelle. Ich flog hinein, über die Schwelle, von der Seite, weil die Tür an einer Kette hängt und man nur durch die Öffnung von der Seite rein kann, in diese Engstelle stießen sie mich in aller Eile hinein. Nach fünf bis zehn Minuten kam der nächste, nach weiteren fünf bis zehn Minuten noch jemand und so weiter, bis 17 Personen in der Zelle waren.“
Die Gefangenen wurden täglich geschlagen. Roman berichtet von einem Zivilgefangenen, der infolge der Schläge und vor Hunger den Verstand verloren hat. Bei einem anderen Häftling starben allmählich die Beine ab.
Gefangenenzahlen
Nach den im März dieses Jahres von der unabhängigen UN-Untersuchungskommission veröffentlichten Angaben sind Folterungen kriegsgefangener Ukrainer eine „übliche und systematische Praxis“ der Vertreter der RF. Systematische Folterungen werden von russischen Militärs in den zeitweilig besetzten ukrainischen Gebieten ausgeführt, von Sonderbeauftragten wie von Mitarbeitern des russischen Strafvollzugsdiensts. Im Oktober dieses Jahres hat die PACE eine Resolution verabschiedet, die die furchtbaren Bedingungen beschreibt, in denen ukrainische Gefangene gehalten werden. Außerdem geht es darum, dass die RF die Kontaktaufnahme mit internationalen Behörden und Verwandten der Ukrainer verhindert, die sich in russischen Haftanstalten befinden.
Diese Zahlen sprächen für sich. Die PACE äußert sich schockiert darüber, dass zum 18. September 2024 insgesamt 65.956 Soldaten und Zivilisten als vermisst oder gefangen verzeichnet wurden, bei 50.916 liegen bestätigte Angaben zu diesem Status (als Vermisste) vor. In Wirklichkeit ist die Zahl der Opfer weit höher… Vom 24. Februar 2022 bis zum 17. September 2024 sind 3.672 Personen aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt, darunter 168 Zivilisten. Die PACE stellt fest, dass ein Drittel von ihnen als vermisst gegolten hatten. Die Russische Föderation hatte entgegen ihren internationalen Verpflichtungen seinerzeit keinerlei Informationen über sie bekanntgegeben.
Die PACE hat die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, alles zu unternehmen, um die Freilassung aller ukrainischen Kriegsgefangenen und Zivilisten aus russischer Gefangenschaft zu erreichen und die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen, die gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechte verstoßen, zur Rechenschaft zu ziehen.
Zugleich hat die UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechte in Russland Mariana Kazarova erklärt, dass sich in diesem Jahr, nach offiziellen Angaben der russischen Regierung, 6.465 ukrainische Soldaten in russischer Gefangenschaft befanden. Die Russische Föderation hat ihnen nicht den Status von Kriegsgefangenen verliehen, wie dies die Genfer Konvention vorschreibt. Dadurch wurde den ukrainischen Soldaten der Schutz vorenthalten, der ihnen nach der Genfer Konvention und dem humanitären Völkerrecht zusteht.
Außerdem nannte Mariana Kazarova die Zahl der Zivilgefangenen, die von den russischen Behörden festgehalten werden, laut Auskunft von Verwandten, aus der Zivilgesellschaft, von Anwälten oder von Personen, die aus der Gefangenschaft zurückgekehrt sind. Das sind mindestens 1.672 Personen. Ihre Haftbedingungen sind in nichts leichter als bei kriegsgefangenen Soldaten.
Nicht alle Gefangenen halten die Kälte, den Hunger, das Fehlen normaler medizinischer Versorgung und ständige Erniedrigungen durch. Wie der Koordinationsstab für Kriegsgefangene beim ukrainischen Verteidigungsministerium berichtet, wurden bis Anfang Oktober mindestens 177 Todesfälle ukrainischer Kriegsgefangener oder entführter Zivilisten bekannt, die in russischer Gefangenschaft ums Leben gekommen sind. Aber die tatsächliche Zahl der Todesfälle liegt deutlich höher, da in russischen Haftanstalten keinerlei internationale Kontrolle möglich ist.
21. November/11. Dezember 2024