Erklärung der Internationalеn Vereinigung Memorial
Wir, die Mitglieder der Internationalen Vereinigung Memorial, sehen uns gezwungen, auf Verfolgungsmaßnahmen gegen unsere Kollegen hinzuweisen, die sich in den letzten Wochen ereignet haben. Bachrom Chamroev, ein Menschenrechtler und ehemaliges Mitglied des Menschenrechtszentrums Memorial, war zu fast 14 Jahren Haft verurteilt worden. Nach dem Versuch, eine Beschwerde über die Haftbedingungen einzureichen, wurde er am 23. Januar im Gefängnis verprügelt und später in eine Strafzelle gebracht.
Am 8. Februar wurde bekannt, dass im Fall von Oleg Orlov, dem Co-Vorsitzenden des Zentrums zum Schutz der Menschenrechte, das Berufungsverfahren begonnen hat. Die erste Gerichtsverhandlung ist für den 16. Februar angesetzt. Die frühere Verurteilung Orlovs zu einer Geldstrafe wegen der so genannten „Verunglimpfung der Streitkräfte der Russischen Föderation“, tatsächlich aber wegen seiner Menschenrechtsaktivitäten und seiner Positionierung gegen den Krieg war aufgehoben worden. Nun werden Oleg Orlov erschwerender Umstände zur Last gelegt - ihm werden „ideologische Feindschaft gegen traditionelle Werte“ und „Hass gegen russische Soldaten“ unterstellt, und es drohen ihm drei Jahre Haft.
Das absurde Strafverfahren wegen angeblichen Schmuggels gegen unsere Permer Kollegen und Mitstreiter geht weiter. Einer von ihnen, Alexander Tschernyschov, ist bereits seit 9 Monaten inhaftiert. Nach etlichen Verhören und Durchsuchungen im Jahr 2023 wurden im Januar mehrere Personen in diesem Fall erneut zu Verhören vorgeladen. Seit November 2022 befindet sich Michail Krieger, ein Bürgerrechtler und Memorial-Mitglied aus der Moskauer Region, im Gefängnis. Er wurde zu sieben Jahren Freiheitsentzug wegen „öffentlicher Rechtfertigung des Terrorismus“ und „Aufstachelung zum Hass“ verurteilt, in Wirklichkeit jedoch wegen seiner Proteste gegen den Krieg.
Am 28. Januar erlebte der 68-jährige Leiter der karelischen Niederlassung von Memorial, Juri Dmitriev, seinen Geburtstag zum siebten Mal in Gefangenschaft. Seine Haftstrafe aufgrund falscher Anschuldigungen war von ursprünglich zweieinhalb auf fünfzehn Jahre Haft heraufgesetzt worden. Im Januar übermittelte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) der russischen Regierung die Klage gegen das Urteil sowie die diesbezüglichen Fragen seitens des Gerichts.
Am 15. Dezember 2023 verzeichnete das Justizministerium unseren Memorial-Kollegen Grigori Schvedov als „ausländischen Agenten“, am 2. Februar schließlich Michail Tschimarov, Sergej Stepanov, Nikita Sokolov und Oleg Orlov.
All diese rechtswidrigen Maßnahmen sind nur ein kleiner Teil der politischen Repressionswelle, die seit dem 24. Februar 2022 über Russland hinwegfegt. Die heutige russische Regierung sieht in Memorial nach wie vor eine Bedrohung. Das gilt gleichermaßen für die gesamte professionelle Arbeit zur historischen Aufarbeitung sowie zur Verteidigung der Menschenrechte.
Wir sprechen unseren Gefährten unsere Unterstützung aus und fordern ein Ende ihrer Verfolgung!
13. Februar 2024