Memorial: UN-Anfrage an russische Behörden

Am 24. November, nach dem Verbots-Antrag der Staatsanwaltschaft gegen Memorial International und das Menschenrechtszentrum Memorial, aber noch vor der Gerichtsverhandlung, richteten Sonderberichterstatter des UNO-Rats für Menschenrechte eine Anfrage an die russischen Behörden. Der Text der Anfrage wurde am 26. Januar (60 Tage danach) veröffentlicht. Eine Antwort von russischer Seite liegt seit dem 19. Januar vor, wurde aber bisher noch nicht bekanntgegeben.

Die UNO-Vertreter ersuchten um Informationen zu den eingeleiteten Verbotsanträgen, insbesondere um Unterlagen zu den bisherigen Gerichtsverfahren (im Zusammenhang mit fehlenden Markierungen als „Agent“), die als Argument gegen beide Memorial-Verbände ins Feld geführt wurden. Außerdem fragten die UNO-Vertreter nach den Vorwürfen des "Extremismus" und "Terrorismus", die sich speziell gegen das Menschenrechtszentrum richteten (die allerdings im Urteil vom 29. Dezember nur noch am Rande erwähnt wurden).

Ein Verbot der Menschenrechtsorganisationen solle offenbar ihren Einsatz für die Menschenrechte und alle Recherchen und Publikationen hierzu ebenso unterbinden wie das Gedenken an Verbrechen der Vergangenheit. Es stehe in keinem Verhältnis zu den minimalen Vergehen, die den Organisationen zur Last gelegt würden.

Darüber hinaus äußern die UNO-Vertreter grundsätzliche Kritik am so genannten „Agentengesetz“ von 2012, das den Verbotsanträgen zugrunde liegt. Es habe verheerende Auswirkungen auf die Situation von Nichtregierungsorganisationen, die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, auf die Zivilgesellschaft insgesamt. Es müsse, wenn nicht komplett abgeschafft, so doch einschneidend revidiert werden, um in Einklang mit den auch für Russland bindenden internationalen Verpflichtungen zu stehen.

Die Kritik betrifft auch weitere Gesetze zu NGOs, insbesondere das zu "unerwünschten Organisationen" sowie die zahlreichen ergänzenden Bestimmungen, die 2020/21 in Kraft getreten sind und die den Kreis möglicher "Agenten" erheblich ausweiten. Dadurch werde die Möglichkeit und Bereitschaft zivilgesellschaftlicher Akteure, mit internationalen Organisationen einschließlich denen der UNO zusammenzuarbeiten, massiv beeinträchtigt.

Die russische Regierung wird ausdrücklich um Auskunft gebeten, welche Maßnahmen sie unternommen hat, um sicherzustellen, dass Menschenrechtsaktivisten und gesellschaftliche Organisationen ihrer legitimen Tätigkeit ungehindert nachgehen können, in einer sicheren Atmosphäre und Umgebung, ohne Einschüchterungen und Repressalien ausgesetzt zu sein.

27. Januar 2022

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