Erklärung von Memorial International
Seit diesem Sommer ist Memorial Perm zunehmenden Drangsalierungen ausgesetzt. Nicht genug damit, dass bei einer der traditionellen Exkursionen die Polizei auftauchte und die Teilnehmer zum Teil bis tief in die Nacht verhörte, danach wurden auch noch Strafverfahren eingeleitet, eines davon wegen angeblicher illegaler Rodungen. Strafbescheide sowohl gegen die Teilnehmer als auch gegen Memorial Perm und den Leiter der Organisation, Robert Latypov, ließen nicht auf sich warten.
Am 31. Oktober wurde im Büro von Memorial Perm und in der Wohnung von Robert Latypov eine Haussuchung durchgeführt.
Es folgt die Erklärung von Memorial International aus diesem Anlass.
Am 31. Oktober 2019, einen Tag nach dem Gedenktag für die Opfer politischer Verfolgungen, nahm die Polizei Hausdurchsuchungen im Büro von Memorial Perm sowie in der Wohnung des Vorsitzenden vor. Soweit bekannt, geschah dies im Rahmen des Strafverfahrens wegen illegaler Rodungen. Angeblich seien Bäume gefällt worden, als Teilnehmer einer Expedition von Memorial Perm den Friedhof polnischer und litauischer Sondersiedler in der Nähe von Galjaschor pflegten.
Für Haussuchungen ist das ein seltsamer Grund – nach was soll denn gesucht werden? Nach gefällten Bäumen oder vielleicht Tatwerkzeugen?
Die Tatsache, dass hier Anklage erhoben wurde, ist allerdings ein Skandal. In der letzten Woche stellte das Permer Ministerium für Naturressourcen Memorial Perm eine Verwarnung und zwei Strafbescheide in Höhe von 250.000 Rubeln zu. Die Bezeichnung des entsprechenden Artikels im Ordnungsstrafrecht verleiht dem Vorgang noch eine besondere Note - es geht um die „eigenmächtige Besetzung von Waldgrundstücken“.
Die heutigen Beamten können sich nicht damit abfinden, dass die Gräber der Sondersiedler auf Grundstücken liegen, auf denen sie sich nicht aus freien Stücken aufhielten und wo sie weder leben noch sterben wollten. Die Täter, die dafür verantwortlich sind, dass diese Menschen weit entfernt von ihren Heimatorten starben, blieben ungestraft; verfolgt werden heute jene, die die Schuld des Staates gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen sühnen wollen. Kaum ein zivilisiertes Land würde in dieser Weise Personen drangsalieren, die die Gräber von Verstorbener pflegen, ob es nun Zivilisten sind oder Soldaten.
Wir fordern, das skandalöse Vorgehen der Permer Sicherheitsorgane sofort zu beenden und die Verantwortlichen für die Missachtung des Gesetzes und des Gedenkens an die Opfer zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn dies nicht geschieht, wäre es ehrlicher, die staatliche Konzeption zur Bewahrung des Gedenkens an die Opfer politischer Verfolgungen zu annullieren.
31. Oktober 2019