Das Forschungszentrum "Memorial" und die Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen bereiten eine wissenschaftliche Ausgabe der "Chronika tekuschtschich sobytij" ("Chronik der laufenden Ereignisse") vor.
Die "Chronik der laufenden Ereignisse" ist ein Nachrichtenblatt, das zwischen 1968 und 1982 von Moskauer Menschenrechtlern herausgegeben wurde. Als einzige inoffizielle Chronik der späteren UdSSR stellt es eine einzigartige Quelle zum Studium eines totalitären Staates dar, in dem sogar streng vertrauliche Dokumente ideologisch gefärbt waren. Außerdem dokumentiert die "Chronik", wie der Westen von der sowjetischen Dissidenzbewegung erfuhr und wie Menschenrechte in den internationalen Beziehungen zu einem Hauptthema wurden.
Die "Chronik" zeigt, dass die Dissidenten hofften, dass sich das Interesse, das ihnen die westliche Politik entgegenbrachte, positiv auf ihre Anliegen auswirken würde. Sie dokumentiert jedoch auch, wie sie politischem Kalkül zum Opfer fielen. Die wahrscheinlich wertvollsten Zeugenaussagen der "Chronik" stellen dabei die Solidaritätsbekundungen gegenüber Kollegen dar, die in der UdSSR verfolgt wurden. Schriftsteller, Künstler, Physiker, Mathematiker, Historiker und Menschenrechtler sorgten dafür, dass die Repressionen der sowjetischen Behörden gegen die Dissidenten nicht unbemerkt vonstatten gingen. Es ist gut möglich, dass es gewöhnliche Werte waren, wie zum Beispiel künstlerische Freiheit, Respekt vor den Individualrechten und Anteilnahme und Mitgefühl, die dabei halfen, viele Vorurteile und Stereotypen zu überwinden, die nicht nur in der UdSSR üblich waren.
Die "Chronik" enthält eine beeindruckende Menge an Informationen. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass diese im Vorcomputer-Zeitalter zusammengetragen wurden. In den über 60 Ausgaben der "Chronika" tauchen mehr als 14.000 Namen auf, darunter zahlreiche westliche Gelehrte, Künstler, NGO-Aktivisten, Journalisten, religiöse Persönlichkeiten und Politiker. Das Nachrichtenblatt veröffentlichte kurze Zusammenfassungen von übersetzten ausländischen Presseartikeln und literarischen Werken, die durch Samisdat in Umlauf gebracht wurden. Es zitiert zahlreiche Publikationen in den westlichen Massenmedien und Hunderte von internationalen und ausländischen Institutionen, sowohl staatliche als auch nichtstaatliche.
Die Herausgeber bieten Studenten der Geisteswissenschaften die Möglichkeit, dieses reichhaltige historische Material zu erforschen und in einem aktuellen Forschungsprojekt mitzuarbeiten. Wir laden Sie dazu ein, bei der Sammlung von bibliografischen und biografischen Erläuterungen über Bürger westlicher Länder, Immigranten aus der UdSSR (es ist bis heute nicht bekannt, wie es einigen von ihnen gelang, die sowjetische Grenze zu überqueren), westliche Institutionen und individuelle Texte zu helfen. Das bedeutet nicht, dass die Möglichkeiten zur Mitarbeit auf das Thema "Die Chronik und der Westen" beschränkt sind. Wir ziehen gerne auch die Zusammenarbeit mit Personen in Betracht, die sich für andere Aspekte des 20. Jahrhunderts interessieren, die für die "Chronik" relevant sind, z.B. die Geschichte der sowjetischen Untergrundkultur, Menschenrechte, religiöse und nationale Bewegungen in der UdSSR etc. Russischkenntnisse sind von Vorteil und das Projekt ist eine gute Gelegenheit für Russischlernende, ihre Kenntnisse anzuwenden. Doch ein Austausch in Englisch ist auch möglich.
Ansprechpartner Russland: Gennadii Kuzovkin
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Ansprechpartnerin Deutschland: Vera Ammer
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