In den letzten Monaten hatten Titiev und andere Memorial-Mitarbeiter in Tschetschenien an der Aufklärung der Verhaftung, des anschließenden Verschwindens und der vermutlichen Erschießung von 27 Bewohnern der Republik gearbeitet. Tschetschenische Regierungsmitglieder hatten sich mehrfach negativ über die Menschenrechtler geäußert. So hatte Magomed Daudov, Parlamentsvorsitzender der Republik Tschetschenien, im Dezember 2017 die Aufnahme Kadyrovs auf die Magnitzky-Liste und die Sperrung seiner Accounts in sozialen Netzwerken mit der Tätigkeit der Menschenrechtler in Zusammenhang gebracht und öffentlich zu ihrer Verfolgung aufgerufen. Nach der Verhaftung Titievs und dem Brandanschlag auf das Büro von Memorial in Nasran im Januar 2017 zeigte der staatliche Fernsehsender TschGTRK Grosny Kadyrov auf einer Sitzung mit Vertretern des Innenministeriums. Dort bezeichnete Kadyrov die Aktivisten als Verräter und Volksfeinde, bei einem Interview mit dem Daily Storm behauptete er, Titiev würde Marihuana rauchen, seinen Sohn nannte er einen Drogenabhängigen. Im Fernsehen wurde Titiev zudem als Vertreter der „Fünften Kolonne“ bezeichnet.

Der Anwalt Titievs, Petr Zaikin, wird demonstrativ beschattet.

Das Verhalten der Polizisten lässt auf Manipulation schließen: Die erste Durchsuchung, bei der die Drogen in Titievs Auto „gefunden“ wurden, ging ohne Zeugen vor sich, in der Erwartung, dass Titiev seine Schuld auf der Polizeiwache gestehen werde. Als er sich weigerte und ein gesetzmäßiges Vorgehen forderte, brachte man ihn und sein Auto von der Polizeiwache weg und führte eine zweite, offizielle Durchsuchung, dieses Mal mit Zeugen, durch. Diese Version Titievs wird von einem Zeugen indirekt bestätigt. Nachdem Titievs Hände auf Spuren untersucht worden waren, führte man ihn noch vor dem Versiegeln der Proben aus dem Büro. Als man ihn zurückbrachte, waren die Umschläge bereits verschlossen. Es bleibt also unklar, welche Proben in dem Verfahren  Verwendung finden. Titiev wurde im Verlauf des Verhörs mehrfach nahegelegt, sich selbst zu bezichtigen.

Das oben Aufgezählte erlaubt, von groben Verfahrensverstößen zu sprechen, die alle im Verlauf dieser ungesetzlichen Handlungen erlangten Beweise inakzeptabel machen.  Alarmierend ist auch, dass buchstäblich 24 Stunden nach der Verhaftung  die Untersuchung mit in solchen Fällen unüblicher Geschwindigkeit  und ungewöhnlichem Einsatz – an dem Verfahren arbeiteten drei Untersuchungsrichter  – durchgeführt wurde. Die Verteidigung erhielt keinen Auftrag, auf deren Grundlage sie das Verfahren umgehend begleiten konnte. Bei der Prüfung der Verfahrensunterlagen entstand bei der Verteidigung der Eindruck, dass diese bereits im Vorfeld angefertigt worden waren.

Diese Umstände gestatten die Annahme, dass die Verhaftung Titievs das Ziel verfolgt, seinen Aktivitäten als Menschenrechtler ein Ende zu setzen. Dabei kam es zu Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren sowie weiterer Rechte, die durch die Verfassung der Russischen Föderation, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte sowie die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantiert sind. Zudem beruht die Verhaftung offenbar auf manipulierten Beweisen eines angeblichen Verbrechens, das nicht stattgefunden hat.

18. Februar 2018

 

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