Stellungnahme von MEMORIAL International

MEMORIAL International führt bereits seit 18 Jahren in ganz Russland den Historischen Schülerwettbewerb „Der Mensch in der Geschichte – Russland im 20. Jahrhundert“ durch. Initiatoren des Wettbewerbs sind neben MEMORIAL die Internationale Dmitrij-Lichatschow-Stiftung und der Verband der russischen Landeskundler.

Ziel des Wettbewerbs ist es, bei der jungen Generation durch selbstständige historische Recherchen zur Entwicklung von staatsbürgerlicher Haltung und Geschichtsbewusstsein beizutragen. In diesem Jahr haben wir viele bemerkenswerte Arbeiten bekommen, die sich nicht zuletzt auch mit belastenden Themen aus unserer Vergangenheit auseinandersetzen.

Der Wettbwerb findet seit 1999 statt. Seitdem haben über 40.000 Schüler aus allen russländischen Regionen daran teilgenommen. Etwa ein Drittel der Arbeiten kam aus regionalen Zentren, die übrigen aus kleinen Städten und Dörfern. Die besten Arbeiten werden in Sammelbänden veröffentlicht. Bis heute sind bereits zwei Dutzend dieser Bände erschienen, einige auch in englischer, italienischer, deutscher und norwegischer Übersetzung.

Soeben wurde der 18. Wettbewerb abgeschlossen. 1993 Arbeiten aus 78 Regionen Russlands sind eingegangen. Die Jury hat unter ihnen die 43 besten Arbeiten ausgewählt. Deren Autoren wurden mit ihren Betreuern nach Moskau zur Teilnahme an der feierlichen Preisverleihung am 26. April eingeladen. Die Schüler reisen in Begleitung ihrer Lehrer und Eltern an. Diese Veranstaltung findet immer in einer feierlichen und heiteren Atmosphäre statt.

Bereits 2016 haben „NOD“-Aktivisten („Nationale Befreiungsbewegung“) versucht, die Zeremonie zu stören: Sie attackierten die Gäste und beleidigten Lehrer und Schüler. Danach wurden in einigen Fernsehkanälen verleumderische Berichte über die Organisatoren des Schülerwettbewerbs und seine Zielsetzung gezeigt. Die Behauptungen der Fernsehsendungen waren eindeutig verlogen, Memorial International geht derzeit gerichtlich dagegen vor.

In diesem Jahr wurden uns wiederum Schwierigkeiten bereitet. Weniger als zwei Wochen vor dem Festakt kündigte die Organisation „Telegraf“ ohne Begründung den im Dezember 2016 geschlossenen Vertrag über die Saalmiete für die Zeremonie. In dem Schreiben hieß es lediglich, diese Veranstaltung könne nicht genehmigt werden.

Darüber hinaus wurde uns am 20. April berichtet, Beamte aus den regionalen Bildungsministerien hätten den Schülern und ihren Betreuern die Reise nach Moskau zum Akt der Preisverleihung verboten. Das Verbot wurde mündlich mitgeteilt, und zwar nur den Direktoren jener Schulen, die von Siegern des Wettbewerbs besucht werden (eine Liste der preisgekrönten Arbeiten ist wohlgemerkt nicht veröffentlicht worden. Das Durchsickern dieser Information geht anscheinend darauf zurück, dass die Email-Korrespondenz der Organisatoren gehackt wurde).

In all diesen Fällen beriefen sich die Vertreter der Ministerien auf Anrufe aus dem russischen Bildungsministerium in Moskau, in denen ultimativ verlangt wurde, Lehrern und Schülern die Fahrt nach Moskau zur Preisverleihung zu verbieten. Erklärt wurde dies damit, dass MEMORIAL eine „in Russland verbotene Organisation“ sei. Von solchen Anrufen erfuhren wir aus den Gebieten Wolgograd, Astrachan, Pensa, Archangelsk, Twer und aus den Regionen Mordowia und Krasnojarsk.

MEMORIAL ist hierüber verwundert. Ein Sieg in diesem Wettbewerb ist nicht nur für die Schüler, sondern auch für die Schulen und die regionale Administration ein bedeutender Erfolg. Der Wettbewerb ist ziemlich bekannt, er wurde mehrfach vom Fonds des russischen Präsidenten gefördert, so auch der jetzige 18. Wettbewerb (s. Verfügung des Präsidenten der Russischen Föderation vom 1.4.2015, Nr. 79-rp). Die Organisation der Preisverleihung wird von der Moskauer Stadtregierung unterstützt, renommierte Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben, Schriftsteller und Historiker werden auftreten und den Schülern gratulieren.

Wir haben uns mit dem russischen Bildungsministeriums in Verbindung gesetzt. Die erste Stellvertretende Bildungsministerin Valentina Perewersewa dementierte - sie teilte mit, von Seiten des Ministeriums sei keine derartige Verbotsaktion gegen den Wettbewerb von MEMORIAL erfolgt. Mitteilungen an die Leiter regionaler Bildungsbehörden, dass Reisen von Schülern und Betreuern nach Moskau untersagt werden sollten, seien nicht ergangen. Unsererseits luden wir Frau Perewersewa ein, der Preisverleihung persönlich beizuwohnen, und wir werden uns sehr freuen, wenn es dazu kommt.

Ob diese Vorkommnisse Folge einer gezielten Desinformation sind, deren Opfer die Leiter der regionalen Bildungsministerien wurden, oder ob diese sich rückversichern wollten – diese Frage muss einstweilen offen bleiben.

Wir laden hiermit zur Preisverleihung am 26. April um 11 Uhr ins Theater „U Nikitskich Worot“ ein. Das Fest soll ein Fest bleiben.

Moskau, 21. April
MEMORIAL International

22. April 2017
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