Margret Cram ist tot. Sie starb am letzten Freitag. Es geschah so plötzlich, dass wir uns nicht verabschieden konnten. Dieser Tod passt zu ihr: Frau Cram hat nie groß Aufhebens um sich gemacht. Gerade hatte sie noch die nächsten Benefizkonzerte zugunsten bedürftiger GULag-Überlebender in Sankt Petersburg zu organisieren begonnen. Seit einem Vierteljahrhundert machte sie das, länger als es den deutschen Ableger von Memorial gibt.

Trotz ihres hohen Alters war Frau Cram immer in Bewegung – wie ihre Gedanken auch. Und in fröhlicher Selbstdisziplin legte sie selbst lange Strecken mit dem Fahrrad zurück, um fit zu bleiben.

Frau Cram hat mit ihrem Leben gezeigt, dass individuelles Handeln wichtig ist, und dass es auf die Person selbst ankommt.

Ihr Haus stand immer für Memorial offen. Ob sie die russischen Musiker der Benefizkonzerte beherbergte, Mitgliederversammlungen und andere Treffen organisierte oder thematische Abende gab, bei denen jeweils ein Gast im Mittelpunkt stand – immer waren wir ihr willkommen. Sie interessierte sich für historische und politische Zusammenhänge, aber vor allem für die Menschen, die deren Folgen zu tragen haben, und fragte hartnäckig und voller Wissbegier nach. Wie oft haben wir diese unglaubliche Gastfreundschaft genossen. Mit ihr gab Frau Cram allem eine persönliche Note – was für ein Geschenk!

Und sie hatte ein großes Zutrauen in Menschen, in ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten.

Frau Cram war eine Förderin und eine Ermöglicherin: sie bot vielen – gerade jungen – Menschen Freiräume, in denen sie sich ausprobieren und entwickeln konnten. Und sie brachte Menschen zusammen. Dabei achtete sie immer auf ein ausgewogenes Miteinander; Altruismus, der das Gegenüber in hilfloses Angewiesensein drängt, war ihre Sache nicht. Sie wollte gern Neues erfahren, ihr Russisch pflegen, Musik hören und freute sich über jede Gesellschaft, die dazu beitrug.

Auf Dank kam es Frau Cram nicht an – Dankesworte machten sie eher verlegen. In dem, was sie für richtig befand und deshalb tat, wußte sie sich getragen von dem, dem sie vertraute – das genügte ihr.

Unermüdlich stritt Frau Cram für die sozialen Belange unserer Arbeit. Wir werden ihr Andenken ehren, indem wir dieses Vermächtnis annehmen und weitertragen.

Memorial wird ohne Frau Cram ein anderes sein. Wir vermissen sie sehr.


Margret Cram mit Wladimir Schnittke


Mitgliederversammlung von MEMORIAL Deutschland bei Margret Cram (im Bild links)


Margret Cram mit Wladimir Schnittke und Jan Plamper



MEMORIAL-Treffen mit Wladimir Schnittke bei Margret Cram (im Bild links)


12. September 2016


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