Das Justizministerium hat in den letzten Wochen (am 30. Dezember und 16. Januar) insgesamt acht weitere Nichtregierungsorganisationen in das Verzeichnis angeblicher „ausländischer Agenten“ aufgenommen. Dazu gehören u. a. die „Stiftung zur Unterstützung der Pressefreiheit“ in Moskau, die Menschenrechtsorganisation „Bürgerkontrolle“ in St. Petersburg, das „Komitee gegen Folter“ in Nizhnij Novgorod und das Zentrum für Information und Aufklärung von MEMORIAL in Jekaterinburg.

Das Komitee gegen Folter war in den letzten Wochen massiven Attacken ausgesetzt, nachdem dessen Leiter Igor Kaljapin die Anordnung Ramsan Kadyrovs kritisiert hatte, Angehörige von Terroristen aus Tschetschenien zu deportieren und ihre Häuser zu zerstören. Anhänger von Kadyrov drangen in eine Pressekonferenz in Moskau zu diesem Thema ein, an der Kaljapin, Tatjana Lokschina, Svetlana Gannuschkina und Alexander Tscherkassov teilnahmen, und griffen die Podiumsteilnehmer an. Es gelang jedoch, die Pressekonferenz zu Ende zu führen.

Ende Dezember wurde beim Komitee gegen Folter eine Haussuchung durchgeführt. Die Staatsanwaltschaft wies in einem Bescheid an das Komitee darauf hin, dass dessen Mitarbeiter Informationen über Mängel in der Arbeit der Polizei und über die Inkompetenz des Ermittlungskomitees verbreitet hätten. Dies sei ein Versuch, eine Änderung der Regierungspolitik zu erreichen.

Hieraus folgt in der Lesart der Behörden, dass das Komitee „politisch tätig“, und sofern es Fördermittel (und seien sie noch so gering) aus dem Ausland bekommt, ein „ausländischer Agent“ ist. Inhaltlich wurden die vom Komitee verbreiteten Informationen von den Behörden indes keineswegs angezweifelt.

Der MEMORIAL-Verband in Jekaterinburg hatte mehrfach Verfahren gegen die Staatsanwaltschaft gewonnen und erreicht, dass die Anordnung, sich als „ausländischer Agent“ registrieren zu lassen, für unzulässig erklärt wurde. Am 23. Dezember 2014 begann eine erneute, außerplanmäßige Überprüfung, und am 30. Dezember erhielt die Organisation wieder den Bescheid, ihre Tätigkeit sei „politisch“. Ihre daraufhin erfolgte Registrierung als „ausländischer Agent“ will MEMORIAL anfechten: „Eine neue Serie von Gerichtsverfahren steht uns bevor. Wir sind dazu bereit“, erklärte die Vorsitzende des MEMORIAL-Verbandes Anna Pastuchova.

18. Januar 2015
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