Mehr als 20 russische NGOs haben sich in Zusammenhang mit der Einreichung von Gesetzesvorhaben in der Staatsduma der Russischen Föderation mit einem Appell an die Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, Tatjana Moskalkova, sowie an die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, gewandt.
Am 26. November hat ein Moskauer Bezirksgericht Memorial International erneut zu einer Strafzahlung in Höhe von 500.000 Rubeln verurteilt. Der Anlass war der übliche – die angeblich fehlende Markierung der Organisation als „ausländischer Agent“, diesmal auf Publikationen, die am Stand der internationalen Buchmesse in Moskau im September präsentiert wurden.
Tatjana Gluschkova erläutert die wesentlichen Bestimmungen des geplanten Gesetzes
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Was ist passiert?
Die Regierung hat einen Gesetzentwurf in die Duma eingebracht, der den Behörden noch mehr Möglichkeiten gibt, NGOs zu liquidieren, die als „ausländische Agenten“ registriert sind, oder ihnen zumindest ihre Arbeit zu erschweren. Wenn der Entwurf durchkommt, werden die als „ausländische Agenten“ registrierten NGOs verpflichtet, das Justizministerium über alle geplanten Programme und Veranstaltungen zu informieren. Und das Justizministerium erhält seinerseits das Recht, die Umsetzung dieser Programme vollständig oder in Teilen zu untersagen. Wenn die NGO ein derartiges Verbot missachtet, kann das Justizministerium bei Gericht die Auflösung der NGO beantragen.
Interview von Andrej Kamakin mit Jan Raczynski
Am 30. Oktober beging Russland zum 29. Mal den Tag der Erinnerung an die Opfer politischer Verfolgungen. Das Wort Erinnerung impliziert, dass es um Ereignisse geht, die für immer einer fernen Vergangenheit angehören, die ein Land nicht vergessen will. Dabei gilt leider weder das eine noch das andere. Über die ungelernten Geschichtslektionen des Landes führte der Andrej Kamakin/Moskovskij Komsomolez ein Interview mit dem Vorsitzenden von Memorial International, Jan Raczynski. Wir bringen das Interview leicht gekürzt in Übersetzung.
Angehörige der Verurteilten im Verfahren Set veröffentlichen offenen Appell
Angehörige der im Verfahren „Set“ (Netz, Netzwerk) Verurteilten haben sich in einem offenen Appell unter anderem an die Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation Tatjana Moskalkova, an den Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation Igor Krasnov, an den Leiter des Ermittlungskomitees der Russischen Föderation Aleksandr Bastrykin sowie an den Vorsitzenden des Menschenrechtsrats beim Russischen Präsidenten Valerij Fadejev gewandt.
Erneute Verhandlung vor dem Stadtgericht Petrozavodsk am 18. und 24. November. Termin vor dem Kassationsgericht noch offen
Am 18. und am 24. November wird das Stadtgericht von Petrozavodsk erneut das Verfahren gegen Jurij Dmitriev verhandeln. Es geht um die Punkte der Anklage, die das Oberste Gericht Kareliens an dieses Gericht zurückverwiesen hat und in denen Dmitriev für unschuldig erklärt wurde – also die Anfertigung von Kinderpornographie, sexuelle Handlungen gegenüber seiner minderjährigen Pflegetochter und Waffenbesitz.
Gegen den Schuldspruch des Obersten Gerichts (wegen angeblicher gewaltsamer sexueller Handlungen gegenüber der Pflegetochter) und das Urteil zu 13 Jahren Haft, das bereits in Kraft getreten ist, hat Dmitriev am 10. November beim Kassationsgericht Berufung eingelegt (der erste entsprechende Antrag war bereits Ende Oktober erfolgt, wegen Formfehlern aber vom Gericht zurückgewiesen worden). Wann in dieser Sache verhandelt wird, ist noch offen.
11. November 2020
Nach der Expedition nach Galjaschor, die Memorial Perm im Sommer 2019 durchgeführt hatte, war eine Serie von Strafverfahren eingeleitet worden, die allerdings nur in einem Fall zu einer Verurteilung geführt hatten: Gegen Leonid Ladanov wurde die für ihn unerschwingliche Geldstrafe von 100.000 Rubeln verhängt (weil er seine litauischen Besucher nicht ordnungsgemäß registriert haben sollte).
Der im Verfahrens Novoe Velitschie (Neue Größe) wegen Organisation der Tätigkeit einer terroristischen Vereinigung (Art. 282.1 Teil 1 StGB RF) ursprünglich zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilte Pavel Rebrovskij ist am 29. Oktober vom Moskauer Bezirksgericht Ljublinskij nach einer erneuten Überprüfung seines Falls zu sechs Jahren Straflager verurteilt worden. Zudem sieht das Urteil ein weiteres Jahr Freiheitsbeschränkung vor, ein dreijähriges Verbot Internetseiten zu administrieren sowie eine zweijährige zwangspsychiatrische ambulante Behandlung.
Zahl der politischen Gefangenen in Russland von 305 auf 362 gestiegen
Regelmäßig am 30. Oktober, dem Tag des Gedenkens an die Opfer der Repressionen, veröffentlicht das Menschenrechtszentrum Memorial aktualisierte Listen mit den Namen anerkannter politischer Gefangener in der Russischen Föderation. Während auf diesen Listen noch vor einem Jahr 305 Personen verzeichnet waren, ist die Zahl seither auf 362 angestiegen. Davon sind 297 aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit bzw. der Ausübung ihrer Religion inhaftiert, 65 aus anderen politischen Motiven.
Das Menschenrechtszentrum Memorial weist darauf hin, dass die tatsächliche Anzahl der politischen Gefangenen zweifellos höher ist.
30. Oktober 2020