Stellungnahme des Zentrums zum Schutz der Menschenrechte Memorial

Die Machthaber erhöhen den Druck auf die russische Zivilgesellschaft: Am Abend des 23. Dezember 2022 trug das Justizministerium Svetlana Gannuschkina in das „Verzeichnis ausländischer Agenten“ ein, die Menschenrechtlerin, Vorsitzende des Komitees „Bürgerunterstützung“, Leiterin des Netzwerks „Migration und Recht“ und unsere Kollegin im Rat des Zentrums zum Schutz der Menschenrechte Memorial.

Svetlana Gannuschkina unterstützt seit über drei Jahrzehnten Flüchtlinge und in diesem Jahr darunter Tausende ukrainischer Bürger, die nach Russland gekommen sind. Es besteht kein Zweifel, dass sie dies allein aus humanitären Beweggründen tut, im vollen Einklang mit den allgemein anerkannten Prinzipien der Menschenrechte, im Interesse ihrer Schützlinge, von Personen, die gezwungen sind, Zuflucht zu suchen, die vor Kriegen, Verfolgungen und Entbehrungen fliehen. Svetlana Gannuschkinas Einsatz für die Menschenrechte findet in Russland und weltweit Anerkennung.

Das Gesetzeswerk über die „ausländischen Agenten“ war von Anbeginn an verwerflich und hat sich längst diskreditiert. In den letzten zehn Jahren wurde immer wieder anhand von Beispielen bewiesen, dass diese Gesetze als Instrument zur Unterdrückung der Zivilgesellschaft dienen und zum Recht nicht den geringsten Bezug haben. Dies bestätigen u. a. auch die Analyse der Venedig-Kommission, zahlreiche Verlautbarungen im Rahmen spezieller UN-Verfahren sowie die kürzlich erfolgte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In diesem Jahr, nach einer weiteren Systematisierung der „Agenten-Gesetzgebung“, machen die russischen Machthaber keinen Hehl mehr aus dem willkürlichen Charakter und der repressiven Intention einer Markierung als „Agent“, mit der das Justizministerium heute Svetlana Gannuschkina versehen hat. Hunderte von Menschenrechtlern, Journalisten, Aktivisten, Wissenschaftlern, NGOs und Medien sind bereits im „Verzeichnis ausländischer Agenten“ registriert. Dieses ist längst zu einer Art „Ehrentafel“ für die moderne russische Gesellschaft geworden, auf der Menschen und Organisationen aufgelistet werden, die sich konsequent für demokratische Werte einsetzen.

Aber der Status des „ausländischen Agenten“ bringt zahlreiche formelle und informelle Einschränkungen mit sich, sowie zusätzliche Verpflichtungen und Kosten im Hinblick auf Abrechnungspflichten. Es besteht die Gefahr, mit immensen Strafzahlungen und mit strafrechtlicher Verfolgung überzogen zu werden. Vor einem Jahr wurden Memorial International und das Menschenrechtszentrum Memorial liquidiert – und zwar genau unter dem Vorwand, gegen die „Agenten-Gesetze" verstoßen zu haben.

Wir bekunden Svetlana Gannuschkina unsere Solidarität und Unterstützung und wünschen ihr, dass sie ihren Einsatz für die Menschenrechte und ihre hilfreiche Tätigkeit so effizient fortsetzen kann wie bisher.

Wir erklären unsere Solidarität mit allen Opfern der Willkür seitens der russischen Machthaber.

23. Dezember 2022

 

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