Das Moskauer Stadtgericht behandelte heute den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Auflösung des Menschenrechtszentrums Memorial.

Für Besucher – Pressevertreter, Mitarbeiter ausländischer Botschaften – wurde die Verhandlung in einen benachbarten Raum übertragen. Unter Hinweis auf die Pandemie blieb die Öffentlichkeit weitgehend ausgeschlossen.

Es ging um den Vorwurf, das Menschenrechtszentrum habe grob und anhaltend gegen die Vorschriften des „Agentengesetzes“ verstoßen und Veröffentlichungen nicht gekennzeichnet. Das Fehlen der (inzwischen längst angebrachten) Markierungen wird als Gefährdung der Öffentlichkeit ausgelegt, die, wenn sie nicht über den Agentenstatus informiert sei, einer negativen Beeinflussung ausgesetzt sei. Leser könnten etwa in Depressionen verfallen, wenn ihnen ein „negatives Bild vom Staat“ vermittelt werde und die Markierung fehle.

Der Vorwurf, das Menschenrechtszentrum leiste „Extremismus“ und „Terrorismus“ Vorschub, stützte sich ausschließlich auf das „Gutachten“ der beiden umstrittenen Mitarbeiter des privaten „Zentrums für soziokulturelle Gutachten“, Natalja Krjukova und Aleksandr Tarasov. Daher konzentrierte sich die Verteidigung von Memorial auf die unübersehbaren Mängel und Fehler in dieser „Analyse“:

Etliche der von den „Experten“ vorgelegten Unterlagen sind schon technisch fehlerhaft (es fehlen Worte und ganze Textteile, in einigen Fällen verkehrt sich der Sinn dadurch sogar ins Gegenteil). Einen Teil des Textes haben die Autoren einfach aus Referaten von Schülern und Studenten kopiert. Dann haben sie auch Unterlagen anderer Organisationen – OVD-Info und Memorial International – in die Untersuchung mit einbezogen, was nicht ihrem Auftrag entsprach (Texte von Memorial International waren ihnen auch nicht übermittelt worden). Außerdem hatten sie zusätzliche Texte nach eigenem Gutdünken herangezogen. 

Das Gericht vertagte die Verhandlung auf den 29. Dezember, 10 Uhr Ortszeit. Einen Tag zuvor könnte das Oberste Gericht bereits eine Entscheidung im Hinblick auf Memorial International getroffen haben. An diesem Urteil dürfte sich das Moskauer Stadtgericht orientieren.

23. Dezember 2021

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