In Belarus sitzt der 20-jährige Russe Egor Dudnikov in einem Minsker Untersuchungsgefängnis. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen der Organisation von Handlungen eröffnet, die die öffentliche Ordnung grob verletzen [Art. 342 Teil 1 StGB RB], weil er - nach Aussagen seines Anwaltes – Filme für die belarussische Opposition vertont hatte. Über seinen Anwalt nun berichtet er der Novaja Gazeta über seine Haftbedingungen. Wir bringen den Bericht leicht gekürzt in deutscher Übersetzung.

„Ich habe Zahnschmerzen und ein posttraumatisches Syndrom macht mich fertig. Ich lerne Englisch, lese den Archipel Gulag, trainiere. Es kommen Briefe von völlig unbekannten Menschen, das ist sehr schön und ich bin dankbar, das bedeutet, ich habe nichts umsonst gemacht. Es kommen Pakete, und zwar sehr große. Es ist sehr heiß hier und einen Ventilator gibt es nicht. Man kann kaum atmen und mit dem Essen ist es ein Elend. Aber die Pakete sind meine Rettung.. Einen Fernseher gibt es nicht und auch überhaupt keine Nachrichten.

Letzte Woche war ein Psychologe da, aber ein Psychotherapeut bis heute nicht. Dem Psychologen habe ich viel über das posttraumatische Syndrom erzählt, über Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit. Deswegen kann ich nicht mehr klar denken. Der Psychologe hat versprochen mit einem Psychotherapeuten zu sprechen, damit der zu mir kommt, aber bisher ist keiner aufgetaucht. Ich habe auch Husten bekommen. Die Zelle sieht schrecklich aus, von den Wänden und der Decke blättert alles ab und es gibt keine Fenster.

Ich trinke sehr viel. Und es gibt kein sauberes Geschirr! Es wird schlecht oder gar nicht abgespült. Außerdem habe ich gesehen, wie sie es auf den Boden fallen lassen und danach damit den Häftlingen das Essen geben. Deshalb vergiften sich diejenigen, die von dem Geschirr essen. Ich hatte an meinem dritten Tag eine Vergiftung (2.6.2021). Es ist über 40 Grad, alles verdirbt sehr schnell. Wenn wir einen Arzt rufen, kommt einer vielleicht nach drei Tagen. Der reinste Gulag, bloß ohne Zwangsarbeit!

Leute, die ich nicht kenne, haben mir Sachen gebracht, tausend Dank dafür. Dass Pakete kommen ist eine ganz große Unterstützung. Mein Zellengenosse hat gerade keinen Geschmacks- und Geruchssinn mehr, eine Woche ging es ihm sehr schlecht. Aber ich halte mich wacker! Nur der Husten ist quälend. Ich antworte allen, die mir schreiben, Nahestehenden schreibe ich zweimal die Woche, aber Briefe an mich kommen schlecht durch. Von meiner Freundin habe ich nur einen, von meiner Mama insgesamt zwei Briefe bekommen. Vor kurzem habe ich einen Brief von einem Menschen bekommen, auf den ich stolz bin und den ich mir zum Vorbild genommen habe. Ich dachte, niemand braucht mich. Und solche Anteilnahme begeistert und beflügelt mich.

 

P.S.

Der Konsul kommt und hilft, so gut er kann. Am meisten fehlen Wasserkocher, Armbanduhr, eine große Plastiktasche und Fernseher! Papier und Briefumschläge gehen zur Neige, ich suche die Texte der Kinderlieder „Geflügelte Schaukeln“ und „Die wunderschöne Ferne“, Mama, ich liebe dich!“

 

 

Juni 2021 

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