Erklärung von Memorial Perm

 

Nach den jüngsten Repressionsmaßnahmen, Strafverfahren und Hetzkampagnen gegen Memorial Perm, die ein bisher unerreichtes Ausmaß erreicht haben, wendet sich der Verband mit nachstehendem Aufruf an die Behörden, die Medien und die Öffentlichkeit

 

Liebe Mitbürger!

Memorial Perm kann über die offenen Repressionen durch die Sicherheitsorgane und die gegen uns entfesselte Kampagne der Abschreckung und öffentlichen Diskreditierung nicht schweigen.

Vor zwei Monaten wurde Memorial Perm zu Unrecht bezichtigt, „eigenmächtig Land des Wald-Fonds besetzt“ zu haben, und mit mehreren Tausend Rubeln Strafzahlungen belegt. In Wirklichkeit hatte sich Anfang August 2019 eine kleine Gruppe von Freiwilligen lediglich zu einem Friedhof in einer entfernten Waldgegend begeben, zu der ehemaligen Sondersiedlung Galjaschor im Bezirk Komi-Permjazkij. Als „Indizien“ dienten den Sicherheitsorganen einige alte Baumstümpfe, von denen keiner weiß, wer diese Bäume gefällt hat, und ein vor drei Jahren (und nicht einmal von uns) aufgestelltes Gedenkzeichen zum Andenken an Repressionsopfer, die hier umgekommen sind. Seinerzeit war deshalb ein administratives Verfahren eingeleitet, dann aber wieder eingestellt worden.

Jetzt wird bereits das zweite Verfahren wegen „widerrechtlicher Rodung“ in Gang gebracht. Am 31. Oktober, einen Tag nach dem offiziellen Gedenktag für die Opfer politischer Verfolgungen, wurden im Büro unserer Organisation und in der Wohnung ihres Vorsitzenden Haussuchungen durchgeführt und Bürotechnik sowie Finanzdokumente beschlagnahmt. Zurzeit werden die Expeditionsteilnehmer vom Sommer als Zeugen vernommen.

Bereits am 10. August hatten Polizisten Freiwillige im Waldstück Galjaschor auf Initiative der Permer FSB-Verwaltung festgenommen (diese Tatsache ist in den Verfahrensunterlagen festgehalten), die FSB-Mitarbeiter waren denn auch unmittelbar an den Haussuchungen vom 31. Oktober beteiligt. Der Diskreditierungskampagne haben sich jetzt auch böswillige Journalisten angeschlossen, die niederträchtige und völlig aus der Luft gegriffene Verleumdungen in die Welt setzen.

Es ist unmöglich und unrichtig, sich für etwas, was nicht stattgefunden hat, zu rechtfertigen.

Wir gehen davon aus, dass die Ermittlungen gegen Memorial ungerechtfertigt und die Beschuldigungen absurd sind, und dass diese ganze Schmutzkampagne ein einziges Ziel verfolgt – eine unabhängige Nichtregierungsorganisation, die alles dafür tut, dass es in Russland nicht mehr zu politischen Verfolgungen kommt, zu diskreditieren und dann zu liquidieren. Ganz offensichtlich gibt es jemanden, dem unsere Tätigkeit nicht gefällt. Jemanden, der Machtwillkür wieder zur Norm machen will und dieses Bestreben bereits heute in die Praxis umsetzt.

Wir wenden uns an die Mitglieder von Memorial: Glauben Sie keinen absurden Beschuldigungen, seien Sie kritisch gegenüber den Informationen, die Propaganda-Medien verbreiten!

Wir fordern den Gouverneur und die Regierung der Region Perm auf, zur Arbeit unserer Organisation Stellung zu nehmen und eine klare Position zu dem Konflikt zu beziehen, in den das Ministerium für Natur der Region Perm involviert ist.

Wir fordern die Staatsanwaltschaft der Region Perm auf, zu überprüfen,

  • ob das Vorgehen der Sicherheitsorgane gegen Memorial und den Vorsitzenden Robert Latypov rechtmäßig war
  • ob die Teilnahme von FSB-Mitarbeitern und des regionalen Extremismus-Zentrums an ähnlichen Aktionen notwendig ist
  • und ob die Hinweise von REN-TV-Journalisten auf ihren angeblichen unmittelbaren Zugang zu Untersuchungsunterlagen zutreffen.

Wir appellieren an die journalistische Gemeinschaft: Wir hoffen auf eine professionelle Reaktion auf die Provokationen von REN-TV. Die Verdrehung von Tatsachen, aggressives Verhalten von „Journalisten“, die offene Diskreditierung von gesellschaftlichen Vereinigungen und zivilgesellschaftlichen Aktivisten dürfen nicht die Norm werden! Beziehen Sie hierzu Position!

Wir appellieren an alle unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen und alle Menschen, die nicht gleichgültig sind. Wir brauchen eure Solidarität. Sie kann und muss auf verschiedene Weise zum Ausdruck kommen.

  • Visuell – Banner, Sticker und Posts in sozialen Netzen. Diese gibt es schon, Ihr könnt Euch auch weitere ausdenken.
  • Dokumentarisch – die Verbreitung unserer Erklärung, die Unterzeichnung der Petition bei Change.org, die Veröffentlichung eigener persönlicher und kollektiver Appelle zur Unterstützung von Memorial.
  • Materiell: Wir benötigen jetzt keine materielle Unterstützung, diese kann aber notwendig werden, wenn unsere Klagen gegen die verhängten Strafzahlungen vom Gericht abgewiesen werden.
  • Zivilgesellschaftlich – schließen Sie sich der Gesellschaft Memorial an, wenn sie unsere Werte und unsere Mission teilen. Denn die Opfer von Verfolgungen, die immer die Basis unserer Organisation waren, sind fast alle verstorben, wir brauchen Nachfolger, eine neue Generation von Memorialern. Dafür gibt es keine Privilegien und keine zusätzlichen Sorgen, aber die Tatsache, dass Sie sich den Reihen von Memorial anschließen, wäre eine schöne Solidaritätsbekundung.

Je größer unsere Organisation ist, desto schwerer ist es, sie zu zerschlagen.

17. November 2019

 

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